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Politik: Udo Ulfkotte: So lügen Journalisten: Von Stripperinnen und Strippenziehern

Vom sächsischen Sebnitz, das über Nacht zur braunen Stadt wurde, bis zum TV-Gau bei der Wahl des US-Präsidenten traten in jüngster Vergangenheit Fehlleistungen "der" Medien krass zu Tage. Also begab sich der FAZ-Redakteur Udo Ulfkotte an ein durchaus amüsantes Kompendium voller Entlarvungen: von Zeitungsenten wie britischen "BSE-Hühnern" über brüske Fälschungen à la Tom Kummers Hollywood-Bekanntschaften bis zu grausamen Machenschaften in Afrika.

Vom sächsischen Sebnitz, das über Nacht zur braunen Stadt wurde, bis zum TV-Gau bei der Wahl des US-Präsidenten traten in jüngster Vergangenheit Fehlleistungen "der" Medien krass zu Tage. Also begab sich der FAZ-Redakteur Udo Ulfkotte an ein durchaus amüsantes Kompendium voller Entlarvungen: von Zeitungsenten wie britischen "BSE-Hühnern" über brüske Fälschungen à la Tom Kummers Hollywood-Bekanntschaften bis zu grausamen Machenschaften in Afrika. An Hunderten von Beispielen breitet Ulfkotte ein Panoptikum alltäglicher Schludereien aus., vom fröhlichen TV-Schwachsinn bis zu wüsten Manipulationen ("Hitler-Tagebücher"). Kaum ein Medium - bis auf die FAZ -, das verschont bleibt.

Vom Spin doctor und dem "Buschmädchen" ist die Rede, dem Strippenzieher und der Stripperin, dem Nutzen und Frommen von Macht und Medienmenschen dienend. Und hier sind wir schon mitten im Problem. Denn den vom Verlag erfundenen "Lügen"-Titel hat der Autor keineswegs verdient, zeigt er doch an vielen Beispielen das Gegenteil: Wie Journalisten selber Opfer von Propaganda und Desinformation der Mächtigen und Lobbyisten werden, im Kuwait-, Kosovo- und erst recht im TschetschenienKrieg. Er aber hält die unterschiedlichen Ebenen vom Spin doctor und Buschmädchen nicht auseinander.

Am härtesten geht er mit Gesinnungstätern und anderen Wohltätern der Umweltbewegungen und Hilfsorganisationen ins Gericht. Ihnen hält er "Öko-Hysterie" vor, Panikmache zum eigenen Vorteil, zur Hebung der allgemeinen Spendenmoral. Ein bisschen viel Kritik der kritischen Kritik.

Das Zeitalter der Massenkommunikation aber mit seinen fixen Kontrollmöglichkeiten sucht sich ganz andere Methoden noch als zu Zeiten, da auch ein E.A. Poe, Mark Twain, nicht zu reden von Pulitzer, dem Vater des renommiertesten Preises für journalistische Heldentaten, sich als mehr oder minder charmante Schwindler entpuppten. Heute sind es Kampagnen- und Scheckbuch-Journalismus, gefälschte Interviews, gestellte TV-Bilder, die allenthalben auffliegen. Im "Kampf um Quoten und Auflagen" schreckt mancher offenbar vor kaum einem Mittel zurück.

Und auch das gibt es - wie korrupte Herzklappen - unter sonst ehrenwerten Medizinern, wie Schmiergelder bei diskreten Bankern oder Politiker, die Millionen auf dunkle Konten verschieben: Journalisten, die ewig teure Schlitten "testen", oder auch solche, die sich gerne auf Traumreisen einladen lassen und dann - wie der Autor in Afrika beobachtete - im Hotel ein "Buschmädchen" als Amusegueule ihrer Safari vorfinden und glatt den Anstandsprotest vergessen.

Gravierender jedoch ist, dass tiefer gehende Schlüsse auf die Gefahren für die politische Kultur durch eine permanente Skandalisierung der Politik und "Verprollung" unterbleiben. So werden in der an sich nützlichen Fallsammlung die Gründe allenfalls angerissen, warum der von vielen Journalisten kaum mehr zu meisternde Zeitdruck nebst dem ganz natürlichen Karriere-Stress solche Abstrusitäten gebären.

Vieles im Buch ist ungenau, so gründlich sich der Autor bei so grundverschiedener Materie wie chemischen Gutachten, Statistiken oder Konflikten zwischen Multis und NGOs auch müht, die Zusammenhänge zu zeigen. Schrägheiten ("angebliche Wehrmachtsausstellung") bleiben da nicht aus. Der Spezialist mit so speziellen Spezialgebieten wie Geheimdienste, Nahost und Afrika wandelt gar auf den Spuren des omnipräsenten Peter Scholl-Latour und plaudert von Abenteuern mit einer wild gewordenen Soldateska im Kongo, in die er auf Grund eines getürkten CNN-Berichtes geriet.

Manches ist letztlich kaum minder fragwürdig wie die bei fast allen Medien angeprangerte Fahrlässigkeit. Unter Berufung auf einen FAZ-Artikel von 1998 etwa geht der Autor dem Mythos nach, wonach Osteuropa auf der Kriegskonferenz von Jalta verraten worden sei. Mittlerweile jedoch füllen Jahrzehnte alte Bände amerikanischer Historiker-Revisionisten ganze Bibliotheken darüber, wie Churchill (allerdings früher schon) dazu beitrug, Stalin bei der (von Roosevelt stets bekämpften) Aufteilung der Welt in Interessensphären Paroli zu bieten.

Oder wenn er über die "neue Sklaverei" in Afrika und eine erstaunliche Deklaration erzählt, unter Berufung auf einen BBC-Report von 1999 aus Accra, der schlicht sensationell ist. Dort hatten Afrikaner angekündigt, wegen derselben Sache die USA, Lateinamerika und Europa in Höhe von 777 Billionen Dollar verklagen zu wollen. Nicht minder kurzatmig schlussfolgert der Autor freilich, wie seltsam es doch anmute, "wenn jene, die heute die Augen vor dem Wiederaufleben des Sklavenhandels in ihren Ländern verschließen, nun mit Sammelklagen gegen die Nachkommen jener drohen, die ihnen vor Jahrhunderten schweres Unrecht zufügten". Die neuen Sklavenhalter Afrikas hingegen dürften mit diesen Klageführern so wenig gemein haben wie Kofi Annans Stellvertreter Pino Arlacchi - der jüngst in einem Buch moderne Formen der Sklaverei weltweit anprangerte - mit der Mafia in seiner Heimat.

Konrad Watrin

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