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Politik: Über den Bosporus nach Kiew

Warschau - Während in Deutschland die Frage eines türkischen EU-Beitritts heftig diskutiert wird, schlägt sie im katholischen Polen kaum Wellen. Warschau unterstütze die EU-Ambitionen der Türkei, sagt Jaroslaw Drozd, der Sprecher des Außenministeriums.

Warschau - Während in Deutschland die Frage eines türkischen EU-Beitritts heftig diskutiert wird, schlägt sie im katholischen Polen kaum Wellen. Warschau unterstütze die EU-Ambitionen der Türkei, sagt Jaroslaw Drozd, der Sprecher des Außenministeriums. Er plädiert für eine „konsequente Politik der offenen Türen“ der EU gegenüber Ankara.

Bei dem EU-Einsatz für den Nato-Partner Türkei versteht sich Warschau keineswegs als Erfüllungsgehilfe der Wünsche Washingtons. Wie Drozd, der gar auf die türkischen Pluderhosen des polnischen Adels verweist, erklärt auch Janusz Reiter, der Präsident des Zentrums für Internationale Beziehungen, die positive Grundeinstellung zur Türkei als „historisch begründet“. So habe die Türkei die mehr als 120 Jahre währende Teilung Polens nie anerkannt. Auch sei der heutige Nato-Partner Türkei zu sozialistischen Zeiten stets eher als westliches denn als islamisches Land wahrgenommen worden. Bis auf wenige tausend Tartaren beherbergt Polen keine nennenswerte islamische Minderheit. „Negative Elemente“ gebe es in den Beziehungen zur Türkei nicht, sagt Reiter: Allerdings gebe es in Polen auch keine Debatte über die Konsequenzen eines türkischen EU-Beitritts. Die Aufnahme der Türkei könne sich für die Europäische Union als eine „multikulturelle Bereicherung“ erweisen, glaubt indes Drozd. Würden muslimische Immigranten in der Staatengemeinschaft bislang eher als Bürger zweiter Klasse gelten, könnte der Beitritt eines islamischen Landes der EU eine neue Dimension verleihen.

Unterdessen scheint Präsident Aleksander Kwasniewski die europaweite Türkeidebatte auch dazu nutzen zu wollen, das von den EU-Partnern lange kaum wahrgenommene Nachbarland Ukraine in die Erweiterungsdiskussionen mit einzubeziehen. Der Staatschef nannte vergangene Woche die Türkei und Ukraine auffällig in einem Atemzug: Vor etwaigen Verhandlungen mit der EU hätten beide Staaten erst die Beitrittsbedingungen zu erfüllen.

Thomas Roser

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