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Politik: Überall ist Senegal

Asylbewerber, die ihre Herkunft nicht preisgeben, dürfen nicht abgeschoben werden – die Schweiz hat nun einen Ausweg gefunden

Senegal will für die Schweiz Detektiv spielen. Man könnte den zwischen beiden Staaten geschlossenen Vertag allerdings auch als eine besonders raffinierte Form des „Outsourcing“ bezeichnen: In der Schweiz abgelehnte afrikanische Asylbewerber, die sich weigern, ihr Herkunftsland preiszugeben, werden künftig in den westafrikanischen Senegal geschickt. In Senegals Hauptstadt Dakar soll dann innerhalb von 72 Stunden die Herkunft der Flüchtlinge ermittelt werden. Scheitert das, dann muss die Schweiz die „unbekannten“ Flüchtlinge wieder zurücknehmen.

Die Asylbewerber, darauf legt Bern wert, werden indes keineswegs abgeschoben, denn das wäre rechtlich nicht möglich. Nach offizieller Lesart handelt es sich vielmehr um einen Transit beziehungsweise die Verlagerung der Ermittlungsarbeit auf den afrikanischen Kontinent. Vor allem mutmaßliche Wirtschaftsflüchtlinge aus Angola, der Demokratischen Republik Kongo, Nigeria, Sierra Leone und Guinea will die Schweiz über diesen Umweg wieder in ihre Heimatländer zurückschicken.

In dieser Woche unterzeichnete die für Justiz und Polizei zuständige Bundesrätin Ruth Metzler in Dakar das „Basisabkommen“ für dieses Experiment. Anschließend reiste sie nach Nigeria weiter, um auch dort über das Thema Rückführung zu verhandeln. Allerdings gilt es noch verschiedene technische Details der „Transitvereinbarung“ auszuarbeiten.

Senegals Außenminister Tidiane Gadio erklärte im Privatradio Walfadjri, dass Senegal keine finanziellen Leistungen von der Schweiz verlangt habe. Der Vertrag entspreche der Philosophie von Senegals Präsident Abdoulaye Wade, wonach „jeder Flüchtling in Senegal zu Hause“ sei. Tatsächlich jedoch dürfte Wade auch darauf aus sein, sich als Vermittler und Führerfigur in Westafrika zu profilieren.

Dass Senegal eine Art Verkehrsdrehscheibe mit guten Flug-, Schienen- und Straßenverbindungen in die gesamte Region ist, könnte von Vorteil für die übernommene Aufgabe sein. Wie das Land die Herkunft der Flüchtlinge ermitteln will, bleibt allerdings unklar. Geplant ist dem Vernehmen nach, dass die Ankömmlinge während ihres dreitägigen Aufenthalts in einem Transitbereich auf dem Flughafen von Dakar untergebracht werden sollen.

Die Zusammenarbeit mit den potenziellen Herkunftsländern der Flüchtlinge dürfte sich jedoch schwierig gestalten. Tatsache ist, dass viele der westafrikanischen Botschaften in Dakar kaum in der Lage sind, Personendaten zu recherchieren – sie haben nur wenige Computer, und die Telefonleitungen sind meist überlastet. In der Botschaft Guineas beispielsweise, die sich im Wohnhaus des Botschafters befindet, stapeln sich auf dem Boden und auf den Schreibtischen der wenigen Mitarbeiter Visaanträge in Höhe eines halben Meters. Wer hier vorstellig wird, muss stundenlang warten.

Beobachter bezweifeln auch, dass eine Prüfung der Identität tatsächlich in drei Tagen abgeschlossen werden kann. Auch die Schweizer Bundesrätin Metzler räumte ein, dass die gesetzte Frist „sehr kurz“ sei, die Schweizer Behörden würden aber alles tun, um in dieser Zeit eine Klärung zu ermöglichen.

Die Schweizer Sektion von amnesty international kritisierte das Transitabkommen unterdessen. Die Schweiz wolle sich des Asylproblems entledigen, indem sie die „Drecksarbeit“ an die senegalesischen Behörden delegiere, so Alain Bovard von amnesty international. „Das Abkommen begünstigt den Missbrauch durch Schweizer Behörden."

Laut Statistik des Bundesamtes für Flüchtlinge in der Schweiz ist die Zahl der Asylsuchenden aus Afrika von 3500 im Jahre 2000 auf 4700 im Jahre 2001 gestiegen, und auch im vergangenen Jahr kamen wieder mehr Flüchtlinge. Insgesamt beantragten 2002 in der Schweiz 26 125 Menschen Asyl, das sind 26 Prozent mehr als im Vorjahr.

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