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Überfall auf Ermyas M.: Schäuble relativiert Wortwahl

Nach der heftigen Kritik im Zusammenhang mit der Bewertung des Angriffs auf einen Deutsch-Äthiopier in Potsdam hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble seine umstrittene Wortwahl relativiert.

Berlin - Er hätte den Satz, es würden auch "blonde, blauäugige Menschen Opfer von Gewalttaten", auch anders formulieren können, sagte Schäuble am Sonntag in der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin». Sowohl FDP und Grüne als auch der SPD-Koalitionspartner hatten Schäubles Thesen scharf kritisiert.

Schäuble sagte: «Das wäre auch anders gegangen, da haben Sie Recht. Das hätte ich nicht mit den beiden Begriffen beschreiben müssen.» Im Übrigen blieb er aber bei seiner Haltung: «Was ich sagen wollte und was ich auch glaube: (...) wir müssen mit aller Entschiedenheit jede Form von Extremismus, von Gewalttätigkeit, Fremdenhass bekämpfen.» Die Bundesregierung nehme alle Formen von Gewalt ernst. Alles andere sei «Betroffenheits- und Erregungsrhetorik».

Der Innenminister nahm auch Stellung zu seiner Aussage, ehemalige DDR-Bürger hätten wegen der Abschottung durch die Mauer keine Erfahrung mit Ausländern sammeln können. Dies bedeute keineswegs, dass ehemalige DDR-Bürger eher zu Gewalt gegen Ausländer neigten. Wer ihm eine solche Haltung unterstelle, sei «unverschämt».

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil hatte Schäuble zuvor in der «Berliner Zeitung» (Samstag) zu einer Präzisierung seiner Aussagen aufgefordert. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen- Fraktion, Volker Beck, erklärte in Berlin: «Der Verweis auf blonde und blauäugige Opfer von Straftaten und der Erklärungsversuch von Rechtsextremismus mit der DDR-Vergangenheit liegen beide so neben der Sache, dass es für einen Innenminister nicht tragbar ist.»

"Bornierte Westsicht"

Auch in der FDP waren Schäubles Thesen heftig kritisiert worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse die Äußerungen korrigieren, forderte FDP-Chef Guido Westerwelle am Sonntag auf dem Thüringer FDP- Parteitag in Bleicherode. Die Aussagen des Innenministers, rechte Gewalt in Ostdeutschland gehe auf die DDR-Geschichte zurück, bezeichnete er als «bornierte Westsicht und in keiner Weise akzeptabel». Der FDP-Innenexperte Max Stadler sagte der «Passauer Neuen Presse», mitverantwortlich für den Rechtsextremismus im Osten sei vielmehr die hohe Arbeitslosigkeit.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland warnte davor, die Menschen im Osten zu Sündenböcken zu machen. Ausländerfeindlichkeit gebe es auch im Westen, sagte Zentralrats-Generalsekretär Stephan Kramer dem NDR. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) verlangte eine rasche Aufarbeitung des Angriffs in Potsdam: «Ich wünsche mir, dass es einen schnellen Prozess gibt», sagte er der «Berliner Zeitung».

Grünen-Chefin Claudia Roth forderte Merkel auf, den Kampf gegen rechtsextreme Gewalt zur Chefsache zu machen. «Es kann nicht sein, dass die Kanzlerin in Krokodilstränen ausbricht, wenn etwas passiert ist», sagte sie in einem dpa-Gespräch. Merkel hatte sich erschüttert über den Angriff in Potsdam gezeigt. Die Bundesregierung müsse endlich klarstellen, dass die Mittel für zivilgesellschaftliche Programme nicht gekürzt werden, sagte Roth.

Der Innenexperte der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), kann sich Kürzungen bei den Programmen vorstellen. «Ich habe Zweifel, ob wir alle Initiativen weiter fördern sollten», sagte er der «Welt am Sonntag». In den vergangenen sieben Jahren sei «teilweise ein rot- grünes Netzwerk mit staatlichen Geldern bedacht worden». Die SPD kündigte Widerstand gegen Pläne des Familienministeriums an, mit den bislang vorgesehenen 19 Millionen Euro von 2007 an auch Programme zur Integrationsförderung und gegen den Linksextremismus zu finanzieren. (tso/dpa)

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