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Übergangsregelung: Streit um Ruhezeit von Ärzten

Ärzteverbände protestieren massiv gegen die Pläne der Länder, die umstrittene Arbeitszeitregelung für Klinikärzte um ein Jahr zu verlängern. Der Vorsitzende des Marburger Bundes sprach von einem "Anschlag auf den Patientenschutz".

Berlin - Nach europäischem Recht muss grundsätzlich auch in Deutschland vom 1. Januar 2006 an Bereitschaftsdienst in Krankenhäusern in vollem Umfang als Arbeits- und nicht als Ruhezeit gewertet werden.

Das entsprechende deutsche Gesetz ist aber noch nicht in Kraft. Der Bundesrat stimmte am Freitag auf Initiative Bayerns einer Verlängerung der Übergangsfrist um ein Jahr zu. Ursprünglich sollte sie sogar zwei Jahre verlängert werden.

Nach Auffassung des Bundesrats kann die Vorgabe der EU wegen finanziellen und personellen Mehrbedarfs nicht fristgerecht verwirklicht werden. Deshalb plädierte die Länderkammer am Freitag in Berlin dafür, die zum Jahresende auslaufende Übergangsfrist bis Ende 2006 zu verlängern. Die Bundesratsinitiative geht jetzt zur Abstimmung in den Bundestag.

Der Vorsitzende des Klinikärzteverbandes Marburger Bund, Frank Ulrich Montgomery, bezeichnete den Bundesratsbeschluss als «unsäglichen Anschlag auf den Patientenschutz und den Arbeitsschutz der Ärzte». Der Marburger Bund will gegen einen weiteren Aufschub notfalls Beschwerde einlegen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hatte dagegen gewarnt, ohne Fristverlängerung drohe Anfang 2006 ein Personal- und Pflegenotstand im stationären Bereich.

Seit 1993 werde mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie der Bereitschaftsdienst in der EU als Arbeitszeit gewertet, um Arbeitnehmer vor überlangen Arbeitszeiten zu schützen, sagte Montgomery und fügte hinzu: «Der Bundesratsbeschluss ist eine Kampfansage an die deutsche Ärzteschaft, die nicht unbeantwortet bleibt. Ich warne den Deutschen Bundestag davor, diesen Beschluss mitzutragen.»

Hintergrund ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2003. Die Richter gaben einem deutschen Klinikarzt Recht und entschieden, dass Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit gewertet werden müssen. Sie beriefen sich auf die gültige EU-Richtlinie, die nur zwischen Arbeits- und Freizeit unterscheidet.

Montgomery kündigte massiven Proteste an, falls das Parlament die längere Übergangsregelung billigen sollte. Einen Vorgeschmack würden die Politiker mit dem für nächste Woche anstehenden Ärztestreik an der Berliner Charité erhalten. Die 146.000 deutschen Krankenhausärzte hätten genauso wie ihre europäischen Kollegen Anspruch auf die Bewertung ihrer Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit.

Der Präsident der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe sagte: «Es bedarf keiner Umfrage, um zu wissen, dass Patienten nicht von übermüdeten Ärzten behandelt werden wollen.» Der Gesundheitsschutz müsse «auch und gerade für Ärzte gelten». (tso/dpa)

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