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In den vorzeitigen Ruhestand versetzt: Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers (links). In der Kritik: NRW-Innenminister Ralf Jäger.

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Update

Übergriffe auf Frauen in Köln: Polizeipräsident abberufen, Innenminister Jäger in der Kritik

Nach dem Rauswurf des Kölner Polizeipräsidenten Wolfgang Albers gerät NRW-Innenminister Ralf Jäger in den Blick: CDU-Landeschef Armin Laschet wirft ihm "vertuschen, schönreden, wegducken" vor.

Nach der Ablösung des Kölner Polizeichefs kommt aus der CDU scharfe Kritik am nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD). Mit der Versetzung des Polizeichefs in den vorzeitigen Ruhestand wegen der Silvester-Übergriffe in Köln seien die Probleme der inneren Sicherheit in Köln "nicht gelöst", sagte der Vorsitzende der NRW-CDU, Armin Laschet, dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstagsausgabe).

"Das Schönreden und Banalisieren von Straftaten ist das Grundproblem von Innenminister Jäger", sagte Laschet. "Rechtsfreie Räume wie am Silvestertag in Köln gibt es auch an anderen Orten des Landes." Gegenüber der "Passauer Neuen Presse" charakterisierte Laschet den Politikstil von Jäger als "vertuschen, schönreden, wegducken". Es dürfe "kein Klima der Angst geben", sagte der CDU-Politiker. Es dürfe auch nicht sein, dass sich Frauen "aufgrund der Angst vor sexuellen Übergriffen nun nicht mehr in die Bahnhöfe unseres Landes trauen".

Nach den Übergriffen am Kölner Hauptbahnhof hatte Jäger den in die Kritik geratenen Polizeipräsidenten Wolfgang Albers am Freitag in den einstweiligen Ruhestand versetzt. „Meine Entscheidung ist jetzt notwendig, um das Vertrauen der Öffentlichkeit und die Handlungsfähigkeit der Kölner Polizei zurückzugewinnen - auch mit Blick auf die anstehenden Großveranstaltungen“, teilte Jäger mit. Er habe Albers diese Entscheidung in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt. Dieser zeigte Verständnis für die Entscheidung. Die öffentliche Debatte um ihn und sein Verhalten nach den chaotischen Szenen könne die Arbeit der Polizei erschweren und verzögern. „Deshalb verstehe ich die heutige Entscheidung von NRW-Innenminister Ralf Jäger“, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme von Albers. „Es geht darum, verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen.“

Der 60-Jährige stärkte seinen Polizisten den Rücken: „Ich akzeptiere es, dass in der aktuellen Diskussion die Polizeiführung und damit auch zuallererst meine Person ins Zentrum der Kritik geraten sind“, sagte er. „Aber die Polizistinnen und Polizisten, die in der Silvesternacht rund um den Kölner Hauptbahnhof im Dienst waren, haben diese Kritik nicht verdient.“ Zuletzt waren zunehmend Rücktrittsforderungen gegen Albers laut geworden.

Kölns Oberbürgermeisterin Reker kritisiert Polizeiführung

Zuvor hatte sich Albers noch gegen den Vorwurf der "Verschleierung" der Herkunft möglicher Verdächtiger aus der Silvesternacht gewehrt. Dies sei "vollkommen abstrus", erklärte Albers am Freitag in Köln. Er habe seit der ersten Pressekonferenz am Sonntag "mehrfach öffentlich" darauf hingewiesen, dass sich viele von seinen Polizisten am Bahnhof kontrollierten Personen mit Dokumenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ausgewiesen hätten, betonte Albers.

Bei diesen handle es sich aber nicht zwangsläufig auch um die für die massenhaften "schrecklichen Übergriffe" verantwortlichen Täter. Er habe sich daher nicht an "Spekulationen" beteiligt und werde das auch in Zukunft nicht tun. "Solange die Polizei Menschen keine durch Fakten gestützten Tatvorwürfe machen kann, gilt hier in Deutschland die Unschuldsvermutung." Ihm Verschleierung vorzuwerfen, sei "vollkommen abstrus".

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) warf der Polizeiführung derweil vor, sie habe intern schon seit Tagen über ein "wesentlich differenzierteres Bild zur Lage am Silvesterabend und zur Herkunft von möglichen Tatverdächtigen" verfügt, als ihr auf Nachfragen hin vermittelt worden sei.

32 Tatverdächtige identifiziert

Die Bundespolizei hatte bis Freitagabend 32 Tatverdächtige identifiziert, darunter 22 Asylbewerber. Wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin sagte, handelt es sich bei den festgestellten Delikten überwiegend um Körperverletzungen und Diebstähle. Sexualdelikte seien bisher nicht mit den Asylbewerbern in Verbindung gebracht worden, hieß es.

Passanten am Kölner Hauptbahnhof.
Passanten am Kölner Hauptbahnhof.

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Verdächtige seien in diesen Fällen auch noch nicht ermittelt. Unter den 32 namentlich bekannten Verdächtigen sind laut Bundespolizei neun algerische, acht marokkanische, fünf iranische, vier syrische, ein irakischer, ein serbischer, ein US-amerikanischer und drei deutsche Staatsangehörige.

Der Ministeriumssprecher betonte, es handele sich lediglich um Fälle, die in den Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei fielen - also auf dem Bahnhofsgelände und bis zu einer Entfernung von 30 Metern auf dem Vorplatz. Vorwürfe, die Bundespolizei sei in Köln unterbesetzt gewesen, wies der Sprecher erneut zurück. In der Silvesternacht seien 67 Beamte der Bundespolizei am Kölner Hauptbahnhof im Einsatz gewesen - deutlich mehr als an normalen Abenden und auch mehr als am Silvesterabend ein Jahr zuvor.

Nach Angaben der Kölner Staatsanwaltschaft wurden am Freitag in Köln zwischenzeitlich zwei mögliche Täter festgenommen. Diesen kamen noch am selben Tag wieder frei, weil sich der Verdacht gegen sie nicht erhärtete.

Thomas de Maizière: "Es darf keine Schweigespirale geben"

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat davor gewarnt, die Herkunft von Straftätern nicht zu benennen und bezog das auch auf das Verhalten der Polizei. In einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte er vor dem Hintergrund der Vorkommnisse in der Silvesternacht in Köln: "Ein Generalverdacht ist genauso wenig der richtige Weg wie das Tabuisieren der Herkunft von Kriminalität. Es darf keine Schweigespirale geben, schon gar nicht darf sie von der Polizei ausgehen."

Der Minister sagte, weder Politik noch Medien dürften im Umgang mit Straftaten, an denen Menschen mit Migrationshintergrund beteiligt waren, anders verfahren als bei Straftraten von Deutschen. Wenn Täter einen Migrations- oder Flüchtlingshintergrund hätten, dürfe das nicht verschwiegen werden: "Das wäre im Ergebnis nur Wasser auf die Mühlen all derjenigen, die Politik und Medien bewusste Verzerrung vorwerfen."

Handys in Flüchtlingsheimen geortet

Nach dem Bericht des "Spiegel" stieg die Zahl der bei der Kölner Polizei eingegangenen Strafanzeigen inzwischen auf fast 200. Bei den Ermittlungen zum Verbleib der bei den Übergriffen gestohlenen Handys wurden diese demnach teils in Flüchtlingsunterkünften geortet. "In manchen Fällen führte deren Spur in Flüchtlingsheime oder deren unmittelbares Umfeld", hieß es in dem Bericht weiter. Die Kölner Polizeiführung steht wegen der Vorfälle und ihrer anschließenden Kommunikationsstrategie stark unter Druck.

Polizeipräsident Wolfgang Albers wollte Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) nach Polizei-Angaben am Donnerstag umfassend über den Einsatzverlauf informieren. Am Montag soll der Bericht im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags beraten werden. Nach Angaben der Kölner Polizei vom Donnerstag lagen ihr bislang 121 Strafanzeigen vor, etwa Dreiviertel davon bezogen sich auf Sexualstraftaten. Sie bildete eine Ermittlungsgruppe aus bis zu 80 Beamten, um die Vorfälle aufzuklären. Ihnen gelang es demnach bisher, 16 mögliche Verdächtige zu identifizieren.

In der Silvesternacht war es am Kölner Hauptbahnhof aus einer großen Menschenmenge heraus zu zahlreichen sexuellen Übergriffen und anderen Straftaten gekommen. Auch in Hamburg gab es derartige Vorfälle, der Polizei liegen 70 Anzeigen vor. Wegen der Ereignisse ist in Deutschland eine hitzige Diskussion um Konsequenzen und mögliche Auswirkungen auf die Integrationsbereitschaft entbrannt. Auch über mögliche Fehler der Polizei wird diskutiert. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, forderte am Freitag eine bessere Ausrüstung für die Beamten. Er plädierte in Berlin für den Einsatz von "intelligenter Videoüberwachung" an sensiblen Orten. Diese erkenne "auffällige Personenbewegungen" und alarmiere die Einsatzzentralen, erklärte Wendt. (AFP/dpa/Tsp)

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