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Politik: Übers Ziel hinaus

Die Ostförderung ist zum Wahlkampfthema geworden – gestritten wird über Höhe und Verwendung

Von Matthias Schlegel

Berlin - Drastische Äußerungen von den Unionspolitikern Jörg Schönbohm und Edmund Stoiber über den Osten haben nicht nur heftige emotionale Reaktionen ausgelöst, sondern auch ein Weiteres bewirkt: Die neuen Länder und der Aufbau Ost, die im politischen Tagesgeschäft ein wenig ins Hintertreffen geraten waren, sind wieder zu wohlfeilen Wahlkampfthemen geworden. Schaut man in die einschlägigen Kapitel der Wahlprogramme der Parteien, gibt es gemeinsame Schnittmengen: Niemand tastet den bis 2019 laufenden Solidarpakt II an. Gleichwohl besteht Einigkeit darüber, dass der Osten nicht noch mehr Geld, sondern mehr Effizienz bei dessen Verwendung benötigt.

Nun hat Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU), der für eine mögliche Kanzlerin Angela Merkel einmal von Erfurt aus den Aufbau Ost koordinieren soll, gar eine Reduzierung der Förderung ins Gespräch gebracht: Die Investitionszulage Ost, die erst 2004 um zwei Jahre verlängert worden war, könnte durchaus nach 2006 abgeschmolzen werden. Thüringens Regierungssprecher Uwe Spindeldreier wies im Gespräch mit dem Tagesspiegel darauf hin, dass es nicht darum gehe, die Zulage „in zwölf oder 24 Monaten abzuschaffen“, sondern sie über einen längeren Zeitraum hinweg zu reduzieren.

Bei Wirtschaftsforschern ist die über Steuervorteile wirkende Investitionszulage ohnehin seit längerem umstritten. In einer aktuellen Studie für die Konrad-Adenauer-Stiftung, die dem Tagesspiegel vorliegt, weist Joachim Ragnitz vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle darauf hin, dass die Investitionszulage eine „unzureichende Zielgenauigkeit“ habe, weil sie auf einem Rechtsanspruch basiere. Ragnitz plädiert dafür, sie abzuschaffen, nicht aber die Investitionsförderung generell: Sie sollte vielmehr „auf Neuansiedlungen von strukturbestimmenden Unternehmen“ beschränkt und damit selektiver dort eingesetzt werden, wo sie höchstmögliches Wachstum erzeugt. Der Wirtschaftsforscher regt an, diese Förderung künftig über die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe Ost zu realisieren – also über einen Finanzierungsweg, bei dem die Länder mitentscheiden. Auch Althaus zeigte sich dieser Variante gegenüber aufgeschlossen. Aufbau-Ost-Minister Manfred Stolpe (SPD) hatte sich – wie auch die Regierungschefs der Ost-Länder – bislang stets dafür ausgesprochen, die Investitionszulage beizubehalten, weil mit ihr Arbeitsplätze geschaffen würden.

Auch die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, plädiert für deren Beibehaltung. Allerdings, so sagte sie dem Tagesspiegel am Sonntag, müsse sie weiterentwickelt werden. In erster Linie müssten jene von der Investitionszulage profitieren, die neue Produkte und Technologien hervorbrächten, es müssten also Innovationen gefördert werden.

Lemke warnte im Übrigen davor, „jeden Tag eine neue Sau zum Aufbau Ost durchs Dorf zu jagen“. Zunächst einmal müssten „die Hausaufgaben gemacht weden“. Für die Grünen bedeute das mehr Unterstützung vor allem für Klein- und Mittelbetriebe bei der Kreditvergabe und beim Zugang zu Risikokapital. „Sonderwirtschaftszonen“, wie sie die FDP fordert, oder mehr Freiräume im Planungs- und Umweltrecht, wie sie Sachsen-Anhalts Regierungschef Wolfgang Böhmer (CDU) will, lehnt Lemke als „Scheinforderungen“ ab. „Der Osten hat bereits den flexibelsten Arbeitsmarkt“, sagt sie. Und Einschnitte beim Umweltrecht hätten in der Vergangenheit keine Arbeitsplätze gebracht.

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