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Präsident Obama will für eine weitere Amtszeit kandidieren.

© AFP

Überschuldung: „Schließung“ der USA nur verschoben

Ein Budgetkompromiss hat in der Nacht zu Samstag den "Government Shutdown" gerade noch einmal verhindert. Doch die Schuldenobergrenze wird früher oder später erreicht sein – dann droht die Zahlungsunfähigkeit.

Die Erleichterung währte nicht lang. In der Nacht zu Samstag hatten Republikaner und Demokraten die Schließung der Regierung und ihrer Dienststellen mit einem Budgetkompromiss noch einmal abgewendet. Am Sonntag diskutierte Amerika, wann der „Government Shutdown“ stattdessen komme: im Mai, wenn die USA die gesetzliche Schuldenobergrenze erreichen und keine neuen Kredite mehr aufnehmen dürfen? Oder im Oktober, wenn die nun vereinbarte Finanzierung 2011 endet, aber der Nachfolgehaushalt 2012 nicht beschlossen ist? Oder beide Male, womöglich für mehrere Wochen?

Nach der Nacht der langen Messer und schmerzlichen Kürzungen bemühten sich Republikaner und Demokraten am Sonnabend, die Einigung ihren Anhängern als Erfolg zu verkaufen. Präsident Barack Obama tauchte überraschend am Lincoln Memorial auf und erläuterte den applaudierenden Touristen, die nationalen Sehenswürdigkeiten seien nur deshalb geöffnet, weil er einen Kompromiss vermittelt habe. Natürlich waren Kamerateams bei dem angeblich spontanen Auftritt zugegen und übertrugen ihn. Republikaner betonten, sie hätten den Demokraten die größte Budgetkürzung in der Geschichte der USA abgerungen. Mal ist von 38, mal von 39 Milliarden Dollar die Rede.

Bitter ist: Ein Teil der Bürger wird die Folgen dramatisch spüren und doch ändern sie wenig an der gefährlichen Verschuldungsspirale. Zusammen mit den Einsparungen aus den früheren befristeten Notbudgets seit Beginn des Haushaltsjahres am 1. Oktober 2010 summieren sich die Streichungen auf 78 Milliarden Dollar. Das entspricht gut zwei Prozent des Gesamtetats. Er beläuft sich derzeit auf 3,5 Billionen Dollar; zu Beginn des Haushaltsjahres waren 3,8 Billionen veranschlagt. Doch diese 78 Milliarden Dollar müssen aus einem kleinen Teil des Budgets herausgeschnitten werden. Im Großteil kann der Kongress nichts kürzen, ohne zuvor Gesetze zu ändern. Die staatlich finanzierte Grundrente (Social Security) und die Gesundheitsversorgung der Senioren (Medicare) sind geltendes Recht und bilden die beiden größten Ausgabenposten; zusammen mit anderen gesetzlichen Leistungen kosten sie 2,1 Billionen Dollar im Jahr, annähernd zwei Drittel des Budgets.

Der drittgrößte Posten sind die Militärausgaben, rund 900 Milliarden Dollar. Bislang wollen beide Parteien hier nicht streichen. Vor allem die Demokraten fürchten den Vorwurf, sie sparten an nationaler Sicherheit. Im Ergebnis steigt der Militäretat 2011, wenn auch nur noch um fünf statt um sieben Milliarden.

Wenn an Grundrente, Gesundheit der Senioren und Militär nicht gespart werden darf, dann sind rund drei der 3,5 Billionen Dollar Gesamtetat tabu. Die 78 Milliarden Dollar Kürzungen müssen aus dem kleineren Restbereich stammen, der der Regierung zur Politikgestaltung zur Verfügung steht: Bildung, Forschung, Förderung der Wirtschaft samt der neuen oder alten Energien und Sozialprogramme, die nicht gesetzlich verankert sind. Da bedeuten die 78 Milliarden eine Kürzung um rund 15 Prozent.

Diese Politikfelder sind zudem besonders umstritten. Demokraten wollen Subventionen für die Ölkonzerne kürzen, Republikaner die Mittel für Solar- und Windenergie und Umweltschutz. Demokraten favorisieren Bildungszuschüsse für Ärmere, Republikaner Forschungsförderung für die Industrie. Beide sagen, ihre Prioritäten nützten der Nation am meisten.

Die Betroffenen spüren solche Einsparungen extrem, doch sie sind nur ein Tropfen im Schuldenmeer. 1,5 Billionen Dollar werden durch neue Schulden finanziert. Die Gesamtverschuldung erreicht im Mai 14,3 Billionen Dollar. Dann muss die Obergrenze angehoben werden. Die Republikaner machen weitere drastische Kürzungen zur Bedingung. Finanzminister Tim Geithner sagt, er könne den Zeitraum, bis die USA keine Kredite mehr aufnehmen dürfen, durch die Art der Buchhaltung bis Anfang Juli verzögern. Zwischen Mai und Juli droht der nächste „Government Shutdown“, wenn sich die Lager nicht einigen. Und erneut Anfang Oktober, wenn das Haushaltsjahr 2012 beginnt, falls bis dahin kein neues Budget beschlossen ist.

Als Ausweg bleiben nur Steuererhöhungen und Kürzungen. Auch das ist ein ideologischer Fundamentalkonflikt. Am Ende hilft nur eine Mischung aus beidem. Auch an der Kürzung der Grundrente, im Gesundheitssystem und beim Militär kommen die USA nicht vorbei.

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