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Der ukrainische Aktivist Dmitro Bulatow wurde von seinen Entführern offenbar gefoltert.

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Update

Ukraine: Aktivist Bulatow lässt sich in Litauen behandeln

Der gefolterte ukrainische Oppositionelle Dmitro Bulatow hat sein Land verlassen. Nachdem ein Gericht ihm die Ausreise für eine medizinische Behandlung erlaubte, machte sich Bulatow am Abend auf den Weg nach Litauen.

Der nach eigenen Angaben gefolterte ukrainische Oppositionelle Dmitro Bulatow hat sein Land verlassen. Nachdem ein Gericht ihm am Sonntag die Ausreise für eine medizinische Behandlung erlaubte, machte sich Bulatow am Abend über die lettische Hauptstadt Riga auf den Weg nach Litauen. Dort will er sich nach Angaben des Außenministeriums in Vilnius medizinisch behandeln lassen. Zuvor hatte der ukrainische Unternehmer und Oppositionsabgeordnete Petro Poroschenko auf seiner Facebook-Seite mitgeteilt, Bulatow habe Kiew in Richtung Riga verlassen. Anhänger von Bulatow verbreiteten im Internet eine von ihm aus Riga an Poroschenko gesandte Kurznachricht: „Mir wirbelt vor Freude der Kopf. Danke“.

Außenminister Koschara hatte zuvor im Gespräch mit seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier in München zugesichert, dass Bulatow in die EU ausreisen könne. Das Innenministerium hatte für den in einer Privatklinik behandelten Bulatow Hausarrest beantragt und ihn des versuchten Staatsstreiches beschuldigt. Augenzeugen zufolge standen am Sonntag Sicherheitskräfte vor der Klinik. Vertreter ausländischer Botschaften besuchten Bulatow.

Innenministerium behauptet, Bulatow simulierte die Folterungen

Gegen die Peiniger des Oppositionellen wurde bisher kein Verfahren angestrengt. Das von pro-russischen „Falken“ geführte Innenministerium in Kiew geht nämlich davon aus, Bulatow habe seine Entführung selbst inszeniert und die Folterungen simuliert.

Auf dem Maidan in Kiew protestierten am Sonntag wieder Zehntausende.
Auf dem Maidan in Kiew protestierten am Sonntag wieder Zehntausende.

© Reuters

Unterdessen waren am Sonntag so viele Demonstranten auf dem Kiewer Maidan wie schon lange nicht mehr. „Der einzige Ausweg aus der Krise ist der vollständige Machtwechsel“, forderte Vitali Klitschko auf einer „Volksversammlung“. Zehntausende Demonstranten waren gekommen, um den Bericht der beiden Oppositionsführer Klitschko und Arseni Jazenjuk von der Münchner Sicherheitskonferenz zu hören. Klitschko berichtete von der dort erfahrenen Solidarität, Jatsenjuk erzählte unter Buhrufen der Menge, dass der ukrainische Außenminister Leonid Koschara die Opposition als „Terroristen“ bezeichnet habe.

Schlechte Nachrichten aus dem Osten des Landes

Klitschko, der in den vergangenen Tagen oft Russisch gesprochen hatte, las seine Rede wieder auf Ukrainisch vom Blatt ab. Seine Partei Udar hatte auch im kulturell Russland zugewandten Osten des Landes Stimmen geholt.

Von dort gab es am Wochenende für die Opposition schlechte Nachrichten. Am Samstag wurde in Charkiw die „Ukrainische Front“ gegründet, eine vom Machtapparat ausgehende Vereinigung, die das Land von den Besetzern befreien will. Gemeint ist damit die demokratische Opposition, die ihre meisten Anhänger im Zentrum und Westen des Landes hat. Wenn die „Säuberung“ friedlich nicht zu schaffen sei, müsse sie eben mit Gewalt durchgezogen werden, sagte der örtliche Vertreter des Staatspräsidenten, Gouverneur Michail Dobkin. Charkiw war nach dem Ersten Weltkrieg kurze Zeit Hauptstadt der sowjetischen Ukraine. Daran erinnerte am Sonntag der Nationalist Oleg Tjagnibok. „Die Ukraine führt heute ihren verspäteten Unabhängigkeitskampf“, sagte er. Es ginge darum, das Land aus den Fängen Moskaus und seiner Helfer im Präsidentenpalast zu befreien.

Wird bald der Ausnahmezustand verhängt?

Der Kreml behauptet, Russland mische sich in der Ukraine nicht in „interne Angelegenheiten“ ein – trotz der aktenkundigen Aufforderung, das EU-Assoziationsabkommen nicht zu unterzeichnen. Selbst die von Präsident Viktor Janukowitsch eingesetzte und nun demissionierte Regierung von Mykola Asarow gab Drohungen des Kremls als Grund für den EU-Integrationsstopp an.

Unterdessen wächst der Druck aus dem Verteidigungsministerium, den Ausnahmezustand zu verhängen. Verteidigungsminister Pawel Lebedew rückt von seiner Linie ab, die Armee werde nicht eingreifen und auf Ukrainer schießen. Nun heißt es, das Land sei wegen der Besetzungen von Regierungsgebäuden vor allem in der Westukraine vom Zerfall bedroht. Würde der Ausnahmezustand verhängt, schieße die Armee selbstverständlich, sagt Lebedew nun. (mit AFP)

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