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Ein prorussischer Separatist bewacht am Montag die Absturzstelle von MH17.

© AFP

Ukraine: Der schleichende Krieg

Nach Anschlägen im Donbass fürchten die Menschen, Moskau könnte als Schutzmacht eingreifen. Die Spannungen erreichen nun auch Nachbarregionen. Explosionen verbreiten Angst und Schrecken.

Bei den Menschen in der südostukrainischen Stadt Mariupol wächst die Angst vor einem Überfall durch russische Truppen. In Donezk und Luhansk hat es am Wochenende die schwersten Kämpfe seit der Ausrufung des Waffenstillstands am 5. September gegeben. Nun erreichen die Spannungen auch Nachbarregionen wie Charkiw. Dort kam es zu zwei Explosionen. „Die russische Seite will uns provozieren, damit sie einen Vorwand hat, ihre Truppen auf unser Territorium zu schicken“, sagte Andrej Lysenko, Sprecher des Verteidigungsministeriums am Montag vor Medienvertretern in Kiew. Die Sicherheitslage habe sich im Donbass das gesamte Wochenende über immer weiter zugespitzt.

Neben dem Aufflammen der heftigen Kämpfe an dem seit Monaten umkämpften Flughafen in Donezk sei es auch im Süden zu Auseinandersetzungen gekommen. In Debalzewe versuchen die Separatisten, einen Landweg nach Luhansk einzurichten. In Perwomaisk seien die Rebellen erstmals aufgetaucht, die Stadt liegt in der Nachbarregion Nikolaijew, einem Gebiet, das nicht zu den selbst erklärten „Volksrepubliken“ Luhansk oder Donezk gehört. In Mariupol beschossen die Separatisten ukrainische Stellungen. Am Wochenende gab es sechs Tote und viele Verletzte.

Am Sonntagabend wurde auf die Gaststätte „The Wall“ ein Anschlag verübt. Der Pub ist als Treffpunkt für Menschen, die die ukrainischen Streitkräfte mit Spenden unterstützen, bekannt. Bisher gibt es 13 Verletzte, zwei von ihnen schwer. Der Besitzer Michail Oserow sagte der Internetausgabe der Tageszeitung „Segodna“, er habe zwei Mann an der Bar gesehen, die die Kneipe zusammen verlassen hätten, kurz danach habe es einen heftigen Knall gegeben.

Separatisten verüben Anschläge

In der Region Charkiw kam es am Sonntag zudem zu einer Explosion an einem Güterzug, allerdings wurden die 58 Waggons nicht von den Gleisen gebombt. Der Sprengstoff war im Gleisbett verborgen, teilte der Inlandsgeheimdienst der Ukraine (SBU) mit. „Wir werten die Art und Weise des Vorgehens als Versuch eines professionellen Sabotageaktes“, schreibt der SBU.

Ein ähnlicher Vorfall wird aus Mariupol gemeldet. Dort wurde am Wochenende ein Mann festgenommen, der in die Büroräume der staatlichen Seehandelsfirma Mariupol eingebrochen war. Der Mann trug die Uniform der ukrainischen Streitkräfte, doch stellte sich heraus, dass er nicht der Armee angehört. Er machte zu seiner Person keine Angaben. Auch hier ermittelt der SBU wegen des Verdachts eines terroristischen Anschlags.

„Die Menschen, die bei uns an den Stadtgrenzen wohnen, haben das gesamte Wochenende über Schüsse gehört. Die Angst vor einem Überfall der Russen nimmt wieder zu“, sagt Alexej Alexejew dem Tagesspiegel. Seit dem Spätsommer leitet er die „Oborona Mariupol“, eine Art Bürgerwehr, die die Hafenstadt zusammen mit der ukrainischen Armee schützt. Die Furcht ist berechtigt, nur 20 Kilometer von Mariupol entfernt halten russische Truppen seit August die ukrainische Stadt Nowoasowsk besetzt.

Zudem verstärkt Russland seit Ende vergangener Woche seine Truppen in der Ostukraine. Ausländische Reporter und die OSZE haben am Wochenende Konvois von Panzern und Militärfahrzeugen in Makijwka gesehen. Die Stadt liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der Großstadt Donezk. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte bei einem Besuch in Kasachstan: „Die Lage in der Ukraine ist leider wieder sehr ernst. Wir müssen sehr achtgeben, dass wir nicht zurückgeraten in den Zustand militärischer Auseinandersetzungen, den wir schon überwunden zu haben glaubten.“

Immer mehr Beobachter halten die Übereinkunft von Minsk, die auch den Waffenstillstand vorsah, für gescheitert. In Kiew haben längst Versuche begonnen, ein neues Format zur Beilegung des Konflikts in der Ostukraine zu starten. Die Gruppe um Ministerpräsident Arseni Jazenjuk fordert seit Monaten Verhandlungen in Genf. Neben Russland und der Ukraine sollen auch Vertreter der EU sowie der USA teilnehmen. Daneben gibt es Versuche, wirtschaftliche Gespräche in Wien zu führen. Dort ist es bereits zu inoffiziellen Treffen gekommen, an denen unter anderem der Oligarch Dmitri Firtasch sowie Vertreter der deutschen Wirtschaft und Politik teilgenommen haben.

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