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Ruhe vor dem nächsten Sturm? Von einer Entspannung der Lage ist in Kiew nichts zu spüren. Landesweit haben Demonstranten am Wochenende öffentliche Gebäude besetzt.

© dpa

Ukraine: Kiew will umstrittene Gesetze kippen

Der ukrainische Präsident Janukowitsch hat sich mit der Opposition über die Wiederherstellung des Demonstrationsrechts geeinigt. Unterdessen wird Vitali Klitschko von den Behörden zunehmend unter Druck gesetzt. Beobachter fürchten, er solle von den Wahlen im März 2015 ausgeschlossen werden.

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch und die Opposition haben nach Angaben der Präsidentschaft bei ihren Krisengesprächen in mehreren Punkten Einigkeit erzielt. Beide Seiten hätten sich unter anderem darauf verständigt, die neuen umstrittenen Einschränkungen der Versammlungsfreiheit wieder abzuschaffen, hieß es in einer am Montagabend in Kiew veröffentlichten Erklärung. Außerdem sei eine Amnestie für festgenommene Regierungsgegner vereinbart worden, allerdings unter der Bedingung, dass die von Aktivisten besetzten Regierungsgebäude und die Barrikaden in den Straßen geräumt würden.

Oppositionsführer Arsenij Jazenjuk habe jedoch zugleich formell das Angebot abgelehnt, das ihm von Janukowitsch angetragene Amt des Regierungschefs zu übernehmen, hieß es in der Erklärung.

Janukowitsch war am Abend erneut mit der Opposition zu Verhandlungen zusammengekommen. An dem Krisengespräch nahmen der frühere Boxer Vitali Klitschko, Jazenjuk von der Vaterlandspartei sowie Oleg Tjagnibok, der Chef der rechtsextremen Freiheitspartei, teil.

Die seit Wochen demonstrierenden Regierungsgegner fordern den Rücktritt Janukowitschs und vorgezogene Neuwahlen. Mehrere Gesprächsrunden zwischen dem Staatschef und der Opposition hatten zunächst keine Annäherung gebracht. Am Samstag bot Janukowitsch überraschend eine Änderung der Verfassung und eine Machtteilung an: Jazenjuk von der Vaterlandspartei sollte demnach das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen und Klitschko dessen Stellvertreter werden.

Am Montag hatte die Vaterlandspartei zunächst noch eine Meldung verbreitet, die eine Regierungsbeteiligung nahelegte: „Die Partei ist bereit, die Gespräche mit der Regierung fortzusetzen. Trotz der Tatsache, dass Spezialkräfte der Regierung, aber auch extremistische Kräfte, Gewalt in die bis zum 20. Januar 2014 friedlichen Proteste gebracht haben, wollen wir den Menschen in Kiew und in allen Teilen der Ukraine einen Weg nach Europa aufzeigen.“ Die inhaftierte frühere Ministerpräsidentin Julia Timoschenko warnte ihre Partei davor, auf das Regierungsangebot einer Kabinettsbeteiligung einzugehen. „Ich fordere die politisch Verantwortlichen auf, nicht an die Besetzung von Posten zu denken, sondern den Willen des Volkes im Auge zu behalten“, hieß es in einer Erklärung Timoschenkos.

Hinweise auf Beitritt in die Wirtschaftsgemeinschaft der Zollunion

Ob auf der für den heutigen Dienstag erwarteten Sondersitzung des von Janukowitschs Partei kontrollierten Parlaments tatsächlich die Entlassung von Regierungschef Nikolai Asarow und von Innenminister Vitali Sachartschenko beschlossen wird, war am Montag nicht absehbar. Regierungschef Asarow sagte in einem Interview mit der als regierungstreu geltenden Tageszeitung „Segodna“, dass demnächst weitere, lukrative Wirtschaftsverträge mit Russland zu erwarten seien. Beobachter deuten dies als Hinweis auf einen möglichen Beitritt der Ukraine in die von Russland kontrollierte Wirtschaftsgemeinschaft der Zollunion.

Am Montag traf EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle in Kiew ein und fuhr zu einem Treffen mit Janukowitsch. Zusammen mit einer Delegation von Europaabgeordneten wollen die Europäer mit der ukrainischen Führung und der Opposition über Auswege verhandeln.

Soll Klitschko von den Wahlen ausgeschlossen werden?

Vitali Klitschko erhielt unterdessen eine Vorladung, er soll sich vor einem Gericht in Kiew zu seinen Aufenthaltstiteln für Deutschland und für die USA äußern. Präsident Janukowitsch hatte im Spätherbst 2013 ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen auch davon abhängig macht, an wie vielen Tagen im Jahr sich ein Kandidat in der Ukraine aufhält. Kritiker vermuten, der frühere Boxweltmeister solle von den Wahlen im März 2015 ausgeschlossen werden.

Die Proteste waren Ende November durch die überraschende Entscheidung der Regierung ausgelöst worden, ein über Jahre mit der EU ausgehandeltes Assoziierungsabkommen nicht zu unterzeichnen und sich stattdessen stärker Russland zuzuwenden. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen wurden in den vergangenen Tagen mehrere Menschen getötet. (mit AFP)

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