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Die ukrainischen Oppositionsführer, darunter Vitali Klitschko (Mitte oben), am „Runden Tisch“ im Gespräch mit Staatspräsident Viktor Janukowitsch (rechts unten).

© dpa

Ukraine: Klitschko steigt in den Ring

Die ukrainische Opposition spricht mit Staatschef Viktor Janukowitsch – die Oligarchen wenden sich von ihm ab.

In Kiew haben sich zum ersten Mal seit dem Beginn der Proteste vor drei Wochen die beiden Konfliktparteien zu direkten Gesprächen getroffen. Im Palais „Ukraina“ traf sich am Freitagmittag der angeschlagene Staatspräsident Viktor Janukowitsch mit Vertretern der oppositionellen „Allianz des Nationalen Widerstandes“ sowie Gewerkschaften und Studentenorganisationen. „Wer festgenommen wurde, soll freikommen“, versprach der Staatspräsident bereits zu Beginn des „Runden Tisches“ und erfüllte damit eine Vorbedingung der Opposition. Auch wenn er sich für die beiden Versuche entschuldigte, den zentralen Unabhängigkeitsplatz in Kiew mit Polizeigewalt zu räumen, blieb der erste Dialog ohne erkennbare Fortschritte.

Auf dem Maidan demonstrierten unterdessen hinter den dort von den Demonstranten errichteten Barrikaden über 10 000 Bürger weiterhin für das EU-Assoziierungsabkommen und gegen die Regierung. Janukowitsch hatte vor drei Wochen angekündigt, statt der Westbindung wieder ein engeres Verhältnis mit Moskau zu suchen. Der ehemalige Innenminister von Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko, Juri Lutsenko, warnte noch während der Gespräche am „Runden Tisch“ vor einem Plan der Machthaber, die Oppositionsführer zu verhaften und nächste Woche den Ausnahmezustand auszurufen. Angeblich werden am Sonntag bis zu 200 000 prorussische Demonstranten aus der Ostukraine in Kiew erwartet.

Der informelle ukrainische Oppositionsführer Vitali Klitschko warnte deshalb Janukowitsch am „Runden Tisch“ vor einer Eskalation der Polizeigewalt. „Eine Gewaltlösung hätte schlimme Konsequenzen“, drohte Klitschko dem Präsidenten. „Auch für sie persönlich“, fügte der Boxweltmeister drohend hinzu. Klitschko hatte erst am Freitagmorgen seine Kandidatur für die nächsten ukrainischen Präsidentschaftswahlen bekräftigt. Er würde sich auch im Fall von vorgezogenen Präsidentschaftswahlen zur Verfügung stellen, fügte er hinzu. Im ukrainischen Parlament sind allerdings mehrere Gesetzesprojekte eingebracht worden, die Klitschkos Kandidatur vereiteln sollen. Vor allem aus der Tatsache, dass er in Hamburg und nicht in Kiew Steuern zahlt, soll Klitschko ein Strick gedreht werden.

Dass es mit derartigen Wildwest-Methoden vorbei ist, machte eine Presseerklärung von Rinat Achmetow, Janukowitschs langjährigem Geldgeber, klar. Der reichste Mann der Ukraine stand offenbar hinter der Einladung der Opposition zum „Runden Tisch”. „Die Vernunft muss siegen”, schrieb Achmetow, der heute hauptsächlich in London lebt. „Die friedlichen Demonstrationen auf den Straßen sind ein Beweis dafür, dass die Ukraine ein freies, demokratisches Land ist und diesen Weg nicht verlässt“, mahnte der steinreiche Geschäftsmann aus Donetsk, der politischen Heimat Janukowitschs. Laut Achmetow ist es „nicht akzeptabel“, dass friedliche Demonstranten geschlagen oder festgenommen werden. „Wir sind ein Land, und wir dürfen uns nicht teilen lassen“, schloss er.

Damit scheint geklärt, wo in dem Streit eigentlich Achmetow steht, der Janukowitsch 2004 und zum großen Teil auch 2010 die Präsidentschaftskampagne finanziert hatte. Der Schwerindustriebaron Achmetow, dem ein Vermögen in Höhe von vier Milliarden Dollar nachgegesagt wird, ist zwar Mitglied von Janukowitschs „Partei der Regionen” (PRU), doch hält er sich mit politischen Aussagen seit längerer Zeit zurück. Stattdessen versucht der Besitzer des Fußballklubs „Schachtjor Donetsk“, die Geschicke seines Landes vom Hintersitz aus zu lenken.

Dies gelingt Achmetow allerdings immer weniger, seit Janukowitsch seine Macht als Staatspräsident konsequent dazu ausnutzt, seinen eigenen Familienclan zu stärken. Sein Sohn Aleksander Janukowitsch etwa, ein Zahnarzt, konnte laut „Forbes” sein Vermögen allein im letzten halben Jahr auf eine halbe Milliarde Dollar verdreifachen.

Aber auch andere Oligarchen wenden sich von Janukowitsch ab. Der im Gashandel zu Reichtum gekommene Dmitro Firtasch, der nach Angaben des Wirtschaftsmagazins „Forbes” über ein Vermögen von 700 Millionen Dollar verfügt, lässt seinen Fernsehsender „Inter“ immer offener über die Proteste auf dem Maidan berichten.

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