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Pro-Russischer Aktivist vor einer Straßensperre bei Slawjansk.

© AFP

Ukraine-Krise: Kiew hat Truppen in "volle Kampfbereitschaft" versetzt

In der Ukraine warnt Übergangspräsident Turtschinow vor der Kriegsgefahr mit Russland. In Moskau macht Präsident Putin derweil Hoffnung auf eine baldig Freilassung der Militärbeobachter in der Ostukraine.

+++ Ukrainischer Übergangspräsident Turtschinow warnt vor Gefahr des Krieges+++

Die Streitkräfte der Ukraine sind nach Angaben von Übergangspräsident Oleksander Turtschinow in "voller Kampfbereitschaft". Bei einer Kabinettssitzung am Mittwoch in Kiew sagte Turtschinow, die Bedrohung durch einen von Russland angezettelten Krieg gegen die Ukraine sei real. Die ukrainische Streitkräfte wappneten sich gegen eine mögliche Invasion der an der Grenze zusammengezogenen russischen Truppen.

Turtschinow sagte weiter, "oberstes Ziel" der Regierung sei es, dass sich "der Terrorismus" nicht von den östlichen Regionen Donezk und Lugansk auf den Rest des Landes weiter ausdehne. "Wir haben uns entschlossen, vor Ort Milizen zu gründen, die aus Freiwilligen aus jeder Region bestehen", sagte der Übergangspräsident.

+++ Putin macht Hoffnung auf Freilassung der OSZE-Beobachter+++

Die seit fast einer Woche in der Ostukraine festgehaltenen Militärbeobachter können auf eine baldige Freilassung hoffen. Der russische Präsident Wladimir Putin sagte nach Angaben der Agentur Interfax in Minsk in Weißrussland, er setze darauf, dass die Militärs die Region ungehindert verlassen könnten. Eine Lösung der Geiselnahme stellten auch die prorussischen Separatisten in Aussicht, die die unbewaffneten Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) - darunter drei Bundeswehrangehörige und einen Dolmetscher - am Freitag in der Stadt Slawjansk in ihre Gewalt gebracht hatten.

„Es sieht danach aus, dass es eine baldige Freilassung geben kann, ohne einen Geiselaustausch“, sagte der selbst ernannte Bürgermeister der Stadt Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, der "Bild"-Zeitung. Ponomarjow hatte die Geiseln zuvor der Öffentlichkeit präsentiert. Die militanten Separatisten hatten mehrfach erklärt, inhaftierte Gesinnungsgenossen freipressen zu wollen.

Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin kritisierte die Entsendung der OSZE-Militärbeobachter in die Ostukraine als "Dummheit". "Wie kann man Offiziere in einen Bus setzen und ohne Absprachen in eine solche Region senden - ohne Dokumente, die ihren Status bestätigen?", sagte er der Agentur Itar-Tass in New York. "Diese Fahrt war entweder eine Provokation der Führung in Kiew oder - verzeihen Sie - eine Dummheit."

An einer Freilassung der Beobachter hätte nach Ansicht des ehemaligen Generalinspekteurs der Bundeswehr, Harald Kujat, auch Altkanzler Gerhard Schröder seinen Anteil. Er gehe davon aus, dass dieser bei dem umstrittenen Treffen mit Putin am Montag in St. Petersburg seine Möglichkeiten genutzt habe, "um diese, unsere Soldaten dort frei zu bekommen", sagte Kujat am Mittwoch im Deutschlandfunk. "Und möglicherweise hat er das erreicht, was wir alle gehofft haben, was sich jetzt jedenfalls ganz offenkundig als positiv abzeichnet."

+++Durchbrochene Straßensperren bei Slawjansk, neue Besetzungen in Lugansk und Gorlowka+++

Bei einer „Anti-Terror-Operation“ in der Ostukraine durchbrachen regierungstreue Sicherheitskräfte bei Slawjansk drei Straßensperren moskautreuer Aktivisten, wie die Führung in Kiew mitteilte. Beim Vorrücken der Einheiten habe es keine Verletzten gegeben, sagte ein Sprecher des Innenministeriums der früheren Sowjetrepublik.

In Lugansk und Gorlowka besetzten hingegen prorussische Demonstranten am Morgen weitere Verwaltungsgebäude. In Gorlowka hinderten etwa 20 Bewaffnete die Angestellten des Stadtrats am Betreten des Hauses. In Lugansk stürmten Bewaffnete den örtlichen Sitz des Innenministeriums.

Auch in Horliwka haben die prorussischen Seperatisten praktisch ohne Widerstand der Polizei deren Einrichtungen und die der Verwaltung übernommen, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters aus Polizeikreisen in Donezk. Horliwka liegt etwas nördlich von Donezk und ist mit 300.000 Einwohnern etwa so groß wie Bonn.

Im Osten der Ukraine stehen weiterhin mehr als ein Dutzend Städte unter der Kontrolle prorussischer Milizen.

+++IWF stellt schlechte Wachstumsprognose für Russland+++

Der Internationale Währungsfonds rechnet wegen der Ukraine-Krise kaum noch mit Wachstum in Russland. Die Sanktionen träfen die russische Wirtschaft, teilte der IWF am Mittwoch mit. Die Experten trauen dem Land in diesem Jahr nur noch ein Wachstum von 0,2 Prozent zu, statt der bislang angenommenen 1,3 Prozent. Die Prognose könnte zudem weiter zurückgenommen werden, sagte IWF-Experte Antonio Spilimbergo. Zu schaffen machen dürfte Russland die Kapitalflucht: Allein in diesem Jahr könnten 100 Milliarden Dollar aus dem Land abgezogen werden.

Die USA hatten kürzlich Genehmigungen für die Ausfuhr von Hochtechnologie-Produkten zurückgenommen, wenn diese vom russischen Militär verwendet werden können. Zudem wurden Strafmaßnahmen gegen enge Vertraute von Präsident Wladimir Putin verhängt. Auch die EU hatte Konten weiterer Personen eingefroren. Der Westen wirft Russland vor, sich nicht um eine Entspannung der Lage im Osten des Nachbarlandes Ukraine zu bemühen.

+++ OSZE-Sonderbeauftragter blickt optimistisch auf bevorstehenden Wahlen in der Ukraine+++

Der OSZE-Sonderbeauftragte für die Ukraine hat sich vorsichtig optimistisch zu den Chancen für die geplante Präsidentschaftswahl am 25. Mai geäußert. "Positiv ist, dass bis heute keine der Parteien zum Wahlboykott aufgerufen hat", sagte der OSZE-Sonderbeauftragte Tim Guldimann der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview. "Auch im Osten haben uns die Gouverneure und Bürgermeister gesagt, dass die Wahlen durchgeführt werden." In Kiew habe er auch viele Wahlplakate für zwei Kandidaten aus dem Osten gesehen. Mehrere EU-Regierung haben Sorgen geäußert, dass Russland auf die prorussischen Separatisten in der Ostukraine einwirken könnte, um die Wahl zu verhindern.

Guldimann ist Chef der zivilen Beobachtermission in der Ukraine, die derzeit mehr als 150 internationale Helfer in dem Land eingesetzt hat. Die Regierung in Kiew habe die OSZE auch zu einer Wahlbeobachtung eingeladen. Rund 100 internationale Wahlbeobachter seien bereits im Land, die Zahl werde für den Wahltag auf 1000 aufgestockt.

+++ Sanktionen gegen Russland+++

Die neuen Einreiseverbote und Kontensperrungen der EU gegen Russland treffen eine Reihe russischer Spitzenpolitiker sowie maßgebliche Vertreter der prorussischen Aufständischen im Osten der Ukraine. Dies geht aus der am Dienstag im Amtsblatt der EU veröffentlichten Namensliste hervor. Die Liste wird angeführt vom russischen Vize-Ministerpräsidenten Dmitri Kosak. Auf ihr befinden sich auch der Chef des russischen Militärgeheimdienstes, Igor Sergun, Generalstabschef Waleri Gerassimow und der russische Krim-Minister Oleg Saweljow. Zu den genannten Rebellenführern aus dem Osten der Ukraine gehören Igor Strelkow, der an Zwischenfällen in Slawjansk beteiligt war, sowie der Leiter der „Republik Donezk“, Andrej Purgin. Nicht auf der Liste steht aber der selbsternannte Bürgermeister von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, der für die Gefangennahme eines OSZE-Teams verantwortlich gemacht wird. Anders als die USA belegt die EU zudem keine russischen Geschäftsleute mit Sanktionen.

Wegen der Krise in der Ukraine hatte auch Japan Sanktionen gegen Russland verhängt. Das Außenministerium in Tokio teilte am Dienstag mit, dass Visa-Sperren gegen 23 Russen veranlasst wurde, die verdächtigt werden, „die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zu verletzen“. Die Namen der Betroffenen wurden nicht genannt.

(afp/dpa/reuters)

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