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Ein pro-russischer Seperatist vor einem eingenommenen Gebäude in Slawjansk.

© Reuters

Update

Ukraine-Krise: Regierung in Kiew will auf Gewalt an Ostern verzichten

Die ukrainische Regierung verzichtet während der Osterfeiertage auf den Einsatz gegen die pro-russische Separatisten im Osten des Landes. Diese zeigen sich aber weiterhin unnachgiebig in ihren Forderungen, während Russland zusätzliche Truppen an die Grenze zur Ukraine verlegt.

Die ukrainische Regierung hat angekündigt, während der Osterfeiertage nicht gegen pro-russische Separatisten im Osten des Landes vorzugehen. Diese zeigten sich unbeugsam und harrten am Samstag in den besetzten Regierungsgebäuden aus.

Der ukrainische Außenminister Andrij Deschtschytsia sagte mit Blick auf die Separatisten, der Einsatz gegen Terroristen werde während der Feiertage ausgesetzt. “Wir werden zu diesem Zeitpunkt keine Gewalt gegen sie anwenden“, sagte er dem britischen Sender BBC. Eine Sprecherin der Staatssicherheit SBU sagte, Hintergrund sei auch die Genfer Vereinbarung vom Donnerstag. Darin haben sich Russland, die USA, die EU und die Ukraine auf ein Ende der Besetzungen und eine Entwaffnung der Separatisten verständigt.

Separatisten bleiben hart

Am Freitag hatte Deschtschytsia den Separatisten mit konkreten Maßnahmen in der kommenden Woche gedroht, falls sie sich nicht den internationalen Beobachtern ergeben. Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sollen die Umsetzung der Genfer Vereinbarung überwachen. Doch in der OSZE hieß es, bislang gebe es keine Anzeichen für eine Aufgabe der militanten Separatisten. Am Freitag hatte deren Anführer Denis Puschilin erklärt, Russlands Unterschrift unter dem Genfer Abkommen sei für sie nicht bindend. Einen Tag später bekräftigte er das und forderte erneut ein Referendum über einen Anschluss der Ostukraine an Russland.

Russische Truppen zur Verstärkung an der ukrainischen Grenze

Russland hat unterdessen seine Truppen in den Grenzregionen zur Ukraine verstärkt. Zusätzlich zu den ständigen Einheiten seien wegen der Entwicklung in der Ukraine weitere Truppen zur Verstärkung an die Grenze verlegt worden, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow am Samstag dem Fernsehsender Rossija 1. Schließlich habe es in der Ukraine einen Militärputsch gegeben, daher müssten Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der eigenen Sicherheit ergriffen werden, sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin. Mit einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine habe dies nichts zu tun.

Die USA wollen angesichts der Ukraine-Krise nach einem Bericht der „New York Times“ ihre Militärpräsenz in Polen erhöhen. In der kommenden Woche würden die beiden Länder die Entsendung von US-Bodentruppen bekanntgeben, sagte der polnische Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak der Zeitung zufolge bei einem Redaktionsbesuch am Freitag. Demnach ist die Maßnahme Teil einer Ausweitung der Nato-Präsenz in Mittel- und Osteuropa.

Nato fordert Abzug der russischen Truppen

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatte vergangene Woche von etwa 40 000 gefechtsbereiten russischen Soldaten in den Grenzregionen gesprochen. Das westliche Bündnis fordert einen Abzug der Truppen als Zeichen dafür, dass Russland es mit der vereinbarten Deeskalation in der Region ernst meint.

Ein pro-russischer Aktivist harrt vor einem besetzten Verwaltungsgebäude in Donezk aus.
Ein pro-russischer Aktivist harrt vor einem besetzten Verwaltungsgebäude in Donezk aus.

© Reuters

Die ukrainische Übergangsregierung fürchtet, dass Russland wie auf der Krim auch im Osten des Landes seine Soldaten einsetzen könnte. Auch in der Region leben viele ethnische Russen, die die neuen Machthaber in Kiew ablehnen und Volksabstimmungen über eine Unabhängigkeit fordern. Nach einem derartigen Referendum wurde die Krim Teil der Russischen Förderation. Putin hatte am Donnerstag erklärt, Russland habe das Recht, zum Schutz der russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine Militär einzusetzen. Er hoffe, von diesem Recht keinen Gebrauch machen zu müssen und dass die Krise mit politischen und diplomatischen Mitteln beigelegt werde.

Mehrheit der Bevölkerung in Donezk-Region gegen Beitritt zu Russland

In der Region Donezk im Osten der Ukraine ist offenbar die Mehrheit der Bevölkerung gegen einen Beitritt zur Russischen Föderation. In einer Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie, die die Zeitung „Dserkalo Tyschnija“ am Samstag veröffentlichte, sprachen sich 52,2 Prozent der Befragten aus Donezk gegen eine Angliederung an Russland aus. Nur 27,5 Prozent waren dafür.

Im gesamten Südosten der Ukraine, wo eine große russischsprachige Bevölkerungsgruppe lebt, waren sogar 69,7 Prozent der mehr als 3200 Befragten gegen einen Beitritt zu Russland und nur 15,4 Prozent dafür.

In Donezk, wo die Spannungen besonders groß sind und prorussische Milizen seit Anfang April den Sitz der Regionalregierung besetzt halten, sprachen sich 41,1 Prozent der Befragten für eine Dezentralisierung der Ukraine aus. 38,4 Prozent plädierten für eine Föderalisierung des Landes, die auch von Moskau befürwortet wird. 10,6 Prozent wünschten keine Veränderung.

Übergriffe gegen Roma-Familien in Slowjansk

Der ukrainische Übergangs-Premierminister Jazenjuk.
Der ukrainische Übergangs-Premierminister Jazenjuk.

© AFP

In der Ostukraine ist derweil von Entspannung oder österlicher Einkehr wenig zu spüren - im Gegenteil. Am Samstag gab es in Slowjansk gewalttätige Überfälle auf Menschen, die der Minderheit der Sinti und Roma angehören.

Laut Berichten ukrainischer Medien sind in der Nacht von Freitag auf Samstag Roma-Familien „unabhängig von Alter und Geschlecht verprügelt und ausgeraubt worden“, schreibt unter anderem die Internetzeitung "Nowosti Donbass". Die Opfer hätten berichtet, dass unbekannte maskierte Männer in der Nacht geklingelt hätten. Sie seien auf Befehl des zu den Separatisten gehörenden Bürgermeisters Wjatscheslaw Ponomarew unterwegs, um die „Entwaffnung“ vorzunehmen, hätten die Männer der Schilderung zufolge gesagt. „Wer ihnen nicht freiwillig öffnete, dessen Tür wurde eingetreten“, sagte ein Augenzeuge der Zeitung. Ponomarew hat zudem ein Verbot der Parteien Udar von Boxweltmeister Vitali Klitschko, der Vaterlands-Partei der ehemaligen Regierungschefin Julia Timoschenko sowie der nationalistischen Swoboda-Partei ausgesprochen. Wer Parteisymbole zeige oder Informationen über die Parteien verbreite, mache sich strafbar und werde verhaftet.

Arsenij Jazenjuk, der Regierungschef der Übergangsregierung in Kiew, verurteilte am Samstag die Übergriffe auf Minderheiten in der Ostukraine scharf. „Was wir seit ein paar Tagen in der Ostukraine sehen, ist nichts anderes als Anstiftung zu ethnischem Hass. Den Mangel an Respekt vor anderen Religionen werde ich nicht zulassen“, sagte Jazenjuk. Seine Regierung werde nicht tatenlos zusehen, wie „Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit von den Nachbarländern in die Ukraine exportiert werden“. Jazenjuk bezog sich auch auf ein Flugblatt, das Unbekannte Mitte der Woche in der Stadt Donezk verteilt hatten. Die jüdische Bevölkerung wurde darin aufgerufen, sich registrieren zu lassen und ihre Vermögensverhältnisse offenzulegen. Medien berichten, es sei beobachtete worden, wie maskierte Männer in Tarnuniformen diese Flugblätter verteilt hätten. Wer die Urheber sind, konnte auch nach Tagen nicht geklärt werden.

Der Gouverneur von Donezk, der Oligarch Sergej Taruta, warnte vor einem Ausbruch „von Hass und Antisemitismus“. Taruta verurteilte die Aktionen der vergangenen Tage und nannte das Verhalten der Täter „inakzeptabel,barbarisch und dem 21. Jahrhundert nicht angemessen“. Er forderte die Bewohner der Region auf, solche „Auswüchse“ nicht hinzunehmen, die Polizei solle in Fällen rassistisch motivierter Gewalt „hart gegen die Täter durchgreifen“.

Nach Ostern wollen internationale Vermittler zusammen mit ukrainischen Politikern einen neuen Anlauf unternehmen, um die Lage in der Ost-Ukraine zu entschärfen. Die frühere Ministerpräsidentin Julia Timoschenko hat angekündigt, „nach den Feiertagen einen Runden Tisch mit allen am Konflikt Beteiligten“ einzuberufen. Die Präsidentschaftskandidatin war am Karfreitag nach Donezk gereist und hatte auch mit den Vertretern der Separatisten Gespräche geführt. Am Dienstag wird US-Vize-Präsident Joe Biden zu einem Besuch in Kiew erwartet. (mit rtr/AFP/Reuters)

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