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Präsident Putin bei einem Meeting im Kreml.

© AFP

Ukraine-Krise: Russland gibt sich eine neue Militärdoktrin

Moskau reagiert auf die neuen Pläne der Nato und befasst sich in einer neuen Militärdoktrin mit militärischen Szenarios, die dem Kalt Krieg ähneln.

Rund 20 Billionen Rubel – das sind circa 420 Milliarden Euro – will Russland bis 2020 in die Umrüstung seiner Armee investieren. Der Anteil moderner Waffen soll dadurch auf 70 Prozent steigen. Mit umgerechnet weiteren 6,2 Milliarden Euro soll die Rüstungsindustrie selbst modernisiert werden. So sieht es ein 2010 verabschiedetes und inzwischen über weite Strecken bereits abgearbeitetes Programm vor. Die damals zeitgleich geplante Militärdoktrin dagegen wollen Kreml und Generalstab nicht weiterverfolgen. Die geopolitische Situation, so die Begründung, habe sich grundlegend verändert und damit auch die Bedrohungen.

Zwar setzen sich Militärdoktrinen, die schon in der Sowjetzeit Leitlinien für Außen- und Sicherheitspolitik waren, nicht mit konkreten Szenarios auseinander und benennen auch wahrscheinliche Gegner nicht namentlich. Sie liefern aber eine Zustandsbeschreibung des Gefahrenpotenzials. Und Experten wie Ruslan Puchow vom Zentrum für strategische Analysen sehen in der neue Militärdoktrin, die Moskau sich noch in diesem Jahr zulegen will, die Retourkutsche für die neue Russland-Politik, die sich die Nato unter dem Eindruck der Ukraine-Krise verpasste.

Die derzeit geltende Doktrin definiert vor allem Terrorismus und Extremismus als Gefahren, externe Bedrohungen spielen kaum eine Rolle. Als Vize-Koordinator des Nationalen Sicherheitsrates, Michail Popow, gegenüber der Nachrichtenagentur RIA nowosti nun das aktuelle Gefährdungspotenzial umriss, nannte er – wie zu Zeiten des Kalten Krieges – externe Bedrohungen zuerst. Darunter regionale Konflikte wie in Syrien oder in der Ukraine.

Durchlässige Grenzen

Dazu kommen „nichtlineare“ – sprich: indirekte - Herausforderungen wie Privatarmeen und Mobilisierung des internen Protestpotenzials durch Kräfte im Ausland wie beim „Arabischen Frühling“. Der Kiewer Maidan sei nach gleichen Regeln inszeniert worden, sagt ein General mit guten Kontakten zur Führung des russischen Verteidigungsministeriums gegenüber der Moskauer Wirtschaftszeitung "Wedomosti". Dies sei einer der Hauptgründe für Moskaus harte Haltung in der Ukraine-Krise. Derartige Bedrohungen und deren Neutralisierung würden den „nicht-nuklearen Teil“ der neuen Doktrin prägen. Moskau werde seine Sicherheitspolitik gegenüber der Ukraine angesichts der durchlässigen Grenzen neu definieren, heißt es.

Detailliert wird sich die neu Doktrin auch mit Importablösung in der Rüstungsindustrie und der Herstellung von Präzisionswaffen auseinandersetzen. So soll es spätestens 2020 ein russisches Pendant zum Prompt Global Strike-Programm der USA geben, das weltweit Schläge mit Hyperschall-Raketen und Drohnen großer Reichweite in nur einer Stunde möglich macht. Russland, sagte Vize-Verteidigungsminister Juri Borissow auf einer Beratung mit der Rüstungsindustrie, an der auch Kremlchef Wladimir Putin teilnahm, wäre „im Falle einer realen Bedrohung“ gezwungen, gleichzuziehen. Derzeit setze man jedoch vor allem auf Verteidigung. Auch die Militärdoktrin werde daher eher defensiv bleiben.

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