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Kremlchef Wladimir Putin.

© Mikhail Klimentyev/Reuters

Ukraine-Krise: Wie Russland auf den Besuch von Angela Merkel und Francois Hollande schaut

Moskau fühlt sich vom Westen unter Druck gesetzt. Damit konnte das Land bisher nicht umgehen. Doch langsam sind auch immer mehr Russen mit der Politik von Präsident Wladimir Putin unzufrieden.

Eine „beispiellose diplomatische Initiative“ nannte die überregionale Tageszeitung "Kommersant" die Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande zunächst nach Kiew und dann nach Moskau. Es sei „der letzte Vermittlungsversuch“, nunmehr auf höchster Ebene, so das Blatt, das dazu auch den Franzosen mit den Warnung zitierte, Frankreich und Deutschland hätten als Europäer und Freunde der Ukraine und Russland „alles angeboten, was zwei große Nationen tun konnten". Die „Option der Diplomatie“ könne nicht unendlich verlängert werden.

Der Merkel-Hollande-Plan sei die aktualisierte Variante des im September unter OSZE-Ägide und mit russischer Vermittlung zwischen Kiew und den prorussischen Separatisten ausgehandelten Minsker Protokolls, schreibt die regierungsnahe Moskauer Nachrichtenagentur RIA nowosti. Die Anpassung sei wegen US-Gedankenspielen zu Nato-Waffenlieferungen an Kiew erfolgt, die Russlands Ständiger Vertreter bei der Allianz Alexander Gruschko, bereits für „unzulässig“ erklärte. Sie könnten „höchst gefährliche und unberechenbare Folgen“ haben, warnte er.

Auch Europa, so die englischsprachige "The Moscow Times", sei „besorgt“. Merkel und Hollande wollten „einen Kontrapunkt setzen“. Neben neuer Waffenruhe, Truppenentflechtung und Abzug schwerer Waffen aus der Kampfzone sehe ihr Plan weitgehende Autonomie für die Ostukraine mit spezifischen Klauseln zu Sprache, Kultur und Steuern vor. Damit wurden sowohl Forderungen Kiews nach Erhalt der territorialen Integrität der Ukraine als auch Vorstellungen von Wladimir Putin berücksichtigt. Davon soll der Kreml seine Gesprächsbereitschaft abhängig gemacht haben. Russland, sagte der außenpolitische Berater des Kremlchefs, Juri Uschakow, unmittelbar vor Beginn der Konsultationen, sei bereit zu konstruktiven Gesprächen.

Die Bevölkerung begreift, dass sie einen hohen Preis zahlt

Was dabei heraus kam – es gab weder Pressekonferenzen, noch gemeinsame Erklärungen – wird sich zeigen. Klar scheint, dass alle Kompromisse machen müssen. Die Konfliktparteien und ihre Paten. Zu letzteren zählt sich auch Russland. Merkel und Hollande kamen indes sowohl zu Petro Poroschenko als auch zu Wladimir Putin als Vermittler, was dieser als Versuch werten könnte, Moskau den Status einer Konfliktpartei aufzuzwingen.

Druck von außen aber erwies sich beim Umgang mit Moskau bisher stets als kontraproduktiv. Zu Kompromissen könnten den Kreml eher Umfrage-Ergebnisse veranlassen, wonach das Volk zu Putins Ukraine-Politik auf Distanz geht. So hielten im März 2014 immerhin 57 Prozent den Russland-Beitritt der Krim für richtig. Im Januar 2015 waren es sieben Prozent weniger. Eher dagegen waren 2014 sechs, „klar dagegen“ weniger als ein Prozent. Jetzt hat sich die Gruppe der Unzufriedenen fast verdoppelt. Und während sich noch vor knapp einem Jahr 48 Prozent den Anschluss der Ostukraine an Russland wünschten, sind es zurzeit nur noch 19 Prozent.

Die russische Gesellschaft fange an zu begreifen, dass sie für Anschluss und Integration der Krim einen hohen Preis zahlen müsse, warnten Soziologen vom kritischen Lewada-Zentrum in Moskau. Putins persönliche Zustimmungsraten würden daher zwar nicht mehr wachsen, wohl aber auf sehr hohem Niveau verharren. Zumal für die Medien, sowohl bei der Ukraine-Berichterstattung als auch beim Umgang mit der Wirtschaftskrise „faktisch das Kriegsrecht“ gelte. Die Massen hätten Probleme, sich ein eigenes Bild zu machen und sich kritisch mit den Entwicklungen auseinanderzusetzen. Daher sei nicht auszuschließen, dass die Nation sich kurzfristig „weiter um ihren Führer zusammenschließt“. Längerfristig sei eine Trendwende allerdings unausweichlich.

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