zum Hauptinhalt
Wortgewaltig? Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko.

© dpa

Update

Ukraine: Timoschenko will für Präsidentenamt kandidieren

Die ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko kandidiert bei den Präsidentschaftswahlen Ende Mai. Putin lässt unterdessen rund 30 000 russische Soldaten an der Grenze aufmarschieren.

Die frühere Regierungschefin Julia Timoschenko hat am Donnerstag ihre Kandidatur für das Präsidentenamt in der Ukraine bekannt gegeben. „Ich habe vor, für den Präsidentenposten zu kandidieren“, sagte die 53-Jährige auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Kiew. Die umstrittene Politikerin war im Zuge des Umsturzes in der Ukraine nach Jahren aus der Haft entlassen und vor kurzem wegen eines Rückenleidens in Berlin medizinisch behandelt worden. Die proeuropäische Politikerin stand 2004 gemeinsam mit dem späteren Präsidenten Viktor Juschtschenko an der Spitze der orangenen Revolution in ihrem Land. 2010 unterlag sie bei der Präsidentschaftswahl aber ihrem prorussischen Rivalen Viktor Janukowitsch. Nach dessen Amtsantritt wurde sie festgenommen und wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis erkrankte die Politikerin an einem schweren Rückenleiden. Die EU machte ihre Freilassung und Behandlung zur Bedingung für die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der Ukraine. Diesem verweigerte Janukowitsch die Unterschrift, woraufhin sich eine Protestwelle erhob, die ihn letztlich das Amt kostete.

Bundesregierung rügt Timoschenko

Zuletzt hatte Timoschenko wegen ihrer Hasstiraden gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin für Aufsehen gesorgt. Mehrere Medien hatten über ein abgehörtes Telefongespräch Timoschenkos berichtet, in dem sie gefordert habe, die acht Millionen Russen in der Ukraine mit einer Atombombe auszulöschen. Außerdem soll sie Putin beschimpft und darüber phantasiert haben, ihn zu erschießen. Über den Kurznachrichtendienst Twitter hat Timoschenko das Gespräch inzwischen bestätigt. Die Aussage über die russische Minderheit sei jedoch manipuliert worden, erklärte sie.

Die Bundesregierung rügte Timoschenko nach den Berichten über die Verbalattacken. "Bei aller Opposition zum russischen Vorgehen auf der Krim und bei allen Meinungsverschiedenheiten auch ganz grundsätzlicher Art gibt es natürlich doch Grenzen in Sprache und Denken, die nicht überschritten werden dürfen", betonte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. "Gewaltbilder, Gewaltphantasien liegen weit jenseits dieser Grenzen."

Die Bundesregierung setzt sich bei der neuen Regierung in Kiew seit Wochen dafür ein, dass sie den Osten des Landes mit seinen vielen russischstämmigen Bürgern nicht vernachlässigt oder schlechter behandelt. Dies hat Ministerpräsident Arseni Janzenjuk inzwischen auch in einer Rede zugesagt. "Gerade in der aktuellen Krise müssen sich alle Bevölkerungsteile, alle Regionen in der Arbeit dieser ukrainischen Regierung wiederfinden", bekräftigte Seibert. Es gehe um die Stabilisierung der Ukraine und um Versöhnung. Dabei sei jegliche Eskalation zu vermeiden.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) stellte unterdessen am Donnerstag Hilfen für die Ukraine in Höhe von 14 bis 18 Milliarden Dollar (rund zehn bis 13 Milliarden Euro) in Aussicht. An diese Finanzhilfen seien Bedingungen zur Reform der Wirtschaft des Landes geknüpft, teilte IWF-Missionschef Nikolai Georgiyev in Kiew mit. Angesichts eines drohenden Staatsbankrotts hatte die Ukraine, die zuletzt am Tropf der russischen Regierung hing, den IWF offiziell um Unterstützung gebeten.

Russland treibt derweil den Truppenaufbau an der Grenze zur Ukraine westlichen Sicherheitskreisen zufolge weiter voran. Es werde davon ausgegangen, dass mehr als 30 000 russische Soldaten dorthin verlegt worden seien, verlautete am Mittwoch aus europäischen und US-Sicherheitskreisen. In der vergangenen Woche lag die Zahl Medienberichten zufolge noch bei 20 000. Unter den an die Ostgrenze der Ukraine verlegten Truppen seien Spezialeinheiten und Milizen mit Uniformen ohne Hoheitsabzeichen, verlautete aus den Kreisen. Auch die Einheiten, die die Kontrolle über die ukrainische Halbinsel Krim übernommen hatten, waren nicht eindeutig als russische Soldaten zu erkennen.

Nach der Krim-Annexion: Greift Putin jetzt auch nach dem Osten der Ukraine?

Die Eingliederung der Halbinsel in die russische Förderation hat im Westen Befürchtungen ausgelöst, dass Russland auch in der Ost-Ukraine intervenieren könnte. Wie auch auf der Krim gibt es dort einen großen russischstämmigen Bevölkerungsanteil. In US-Regierungskreisen hieß es, es sei unklar, welches Ziel der russische Präsident Wladimir Putin mit der Truppenverlegung an die Grenze verfolge. Eine Militäraktion könne allerdings nicht ausgeschlossen werden.

Zuvor hatte US-Präsident Barack Obama im Konflikt mit Russland die Einigkeit seines Landes mit der Europäischen Union betont. "Die Welt ist sicherer und gerechter, wenn Europa und Amerika zusammenstehen", sagte Obama am Mittwoch in Brüssel bei seinem ersten Besuch bei der Europäischen Union. "Russland steht alleine." Wenn die Regierung angenommen habe, sie könne "einen Keil" zwischen die USA und Europa treiben, dann sei dies falsch gewesen, sagte Obama. Die USA und die EU lehnen die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland entschieden ab.

Obama äußerte sich nach einem Treffen mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionschef José Manuel Barroso. Van Rompuy unterstrich, dass die EU und die USA zu schärferen Sanktionen gegen Russland bereit seien, wenn die Regierung in Moskau den Konflikt mit der Ukraine weiter verschärfe. "Wir arbeiten zusammen um sicherzustellen, dass nicht hinnehmbares Handeln ernsthafte Konsequenzen haben wird", sagte Barroso.

Obama rief die europäischen Verbündeten in der Nato eindringlich auf, mehr Geld für die gemeinsame Abschreckung und Verteidigung auszugeben. "Die gemeinsame Verteidigung innerhalb der Nato ist der Eckpfeiler unserer Sicherheit", sagte Obama. "Und wenn wir eine gemeinsame Verteidigung haben, dann bedeutet das, dass jeder etwas beitragen muss." Er fügte hinzu: "Die Lage in der Ukraine erinnert uns daran, dass Freiheit nicht kostenlos ist." Er sei in der Vergangenheit besorgt gewesen über verringerte Verteidigungsausgaben vieler Verbündeter. "Jeder muss bereit sein, für Geräte, Personal und Ausbildung zu bezahlen", sagte Obama.

Obama: Europa muss bei der Energie unabhängiger werden

Der US-Präsident forderte die Europäer auf, neue Energiequellen zu erschließen und sich damit unabhängiger von Russland zu machen. "Ich denke, es ist nützlich für Europa, seine eigenen Energievorkommen anzuschauen", sagte Obama. Die EU-Staaten sollten ihre Energiepolitik überdenken, "um zusätzliche Wege zu finden, wie sie ihre Energieunabhängigkeit ausbauen und beschleunigen können". Dabei bezog sich der US-Präsident auf die umstrittene Förderung von Schiefergas. In Europa steckt die Förderung des Gases aus tiefen Gesteinsschichten noch in den Kinderschuhen - ganz im Gegensatz zu den USA, die das Gas bereits exportieren. In Deutschland gibt es massive Widerstände gegen das sogenannte Fracking. Obama sagte: "Jede mögliche Energiequelle hat Schwierigkeiten oder Nachteile. (...) Es gibt keine perfekte, ideale und billige Energiequelle." Obama machte dabei klar, dass Europa sich nicht allein auf die USA verlassen könne: "Die Vereinigten Staaten als Quelle von Energielieferungen ist eine Möglichkeit. Aber wir treffen unsere Wahl." Bei den Energie-Importen hängt Europa am Tropf Russlands. Von dort bezieht die EU nach Angaben der EU-Kommission etwa je ein Drittel ihrer Importe an Rohöl (35 Prozent) und Erdgas (30 Prozent).

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso begrüßte das Vorgehen der USA: "Es ist eine gute Nachricht, dass die USA Schiefergas auf den Weltmarkt bringen." Nach Worten Obamas wird das geplante transatlantische Freihandelsabkommen es den USA "sehr viel leichter" machen, Lizenzen für den Gasexport zu vergeben.

Wortgewaltig! Altkanzler Helmut Schmidt.
Wortgewaltig! Altkanzler Helmut Schmidt.

© dpa

Altkanzler Helmut Schmidt (95) hat den Umgang des Westens mit Russland in der Krim-Krise kritisiert. Sanktionen wie das Reiseverbot für die russische Führung seien "dummes Zeug", sagte Schmidt der "Zeit". Weitere wirtschaftliche Sanktionen würden ihr Ziel verfehlen. Sie hätten zwar symbolische Bedeutung, "aber sie treffen den Westen genauso wie die Russen". Der SPD-Politiker kritisierte auch den Beschluss, Russland aus dem Kreis der G-8-Staaten auszuschließen. Sich gemeinsam zusammenzusetzen, wäre "dem Frieden bekömmlicher als das Androhen von Sanktionen". Wichtiger sei ohnehin die G-20, in der auch China und Indien vertreten sind. "Aus der G-20 hat man die Russen bisher nicht rauskomplimentiert." Das Vorgehen des russischen Präsidenten Putin findet Schmidt "durchaus verständlich". Er würde ihn auch nicht als "neuen Zaren" bezeichnen. Bis Anfang der 90er Jahre sei der Westen davon ausgegangen, dass die Krim und die Ukraine Teil Russlands seien. Er habe auch Zweifel, ob die Annexion der Krim ein Bruch des Völkerrechts sei. Die aktuelle Situation sei deshalb "gefährlich, weil der Westen sich furchtbar aufregt". Dies sorge für entsprechende Aufregung in der russischen Öffentlichkeit und Politik.

Erinnerung an den Beginn der Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren: US-Präsident Barack Obama.
Erinnerung an den Beginn der Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren: US-Präsident Barack Obama.

© Reuters

Es sei nicht klug, wenn sich Deutschland und Europa von russischer Energie unabhängiger machen würden, fügte Schmidt hinzu. Auch Ende des 21. Jahrhunderts werde Russland "ein ganz wichtiger Nachbar" bleiben. Die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hingegen gefällt Schmidt. "Hier ist ein Lob für die Vorsicht der deutschen Bundeskanzlerin angebracht."

Obama: "Die Lehren dieses Krieges gelten für uns weiterhin"

Die USA und die EU rücken angesichts der Krim-Krise wieder enger zusammen. US-Präsident Barack Obama traf sich am Mittwoch in Brüssel mit EU-Kommissionschef José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Von dem Gipfel wurde ein Signal der Geschlossenheit gegenüber Russland erwartet. Nach US-Angaben wollte Obama die europäischen Verbündeten zum Schulterschluss im Kampf gegen Verletzungen des internationalen Rechts aufrufen. Russland will seine Militärpräsenz auf der Krim verstärken.

Begonnen hatte Obama seinen Belgien-Besuch am Morgen mit einem Rundgang und einer Kranzniederlegung auf dem US-Soldatenfriedhof in Waregem. Auf dem "Flanders Field Cemetery" traf er mit dem belgischen König Philippe und dem Premier Elio Di Rupo zusammen. Anlass der Zeremonie war der Beginn der Ersten Weltkrieges vor rund 100 Jahren.

"Die Lehren dieses Krieges gelten für uns weiterhin", sagte Obama und verwies auf die aktuelle Situation in Syrien. "Unsere Nationen sind Teil eines internationalen Einsatzes, um Syriens Chemiewaffen zu zerstören. Die selben Waffen, die mit einem solch fürchterlichem Effekt auf diesen Feldern hier benutzt wurden." Wer die Geschichte ignoriere, der sei auf dem Weg dahin, sie erneut zu durchleben, bekräftigte Di Rupo. (AFP/dpa/epd/rtr)

Eine aktuelle Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik zur Ukraine finden Sie hier.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false