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Viele Menschen harren in Donezk aus.

© AFP

Update

Ukraine und Russland: Angst vor Invasion - und Separatisten machen Angebot

Nicht nur in Kiew wächst die Angst vor einer russischen Invasion in die Ukraine. Auch die USA warnen. Moskau gibt an, nur für eine Friedensmission zu werben. Pro-russische Separatisten sind offenbar zu Waffenstillstand bereit.

Die Regierungen in Washington und Kiew sehen offenbar Hinweise darauf, dass Russland unter dem Deckmantel humanitärer Hilfen in die Ukraine einmarschieren könnte. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power, warnte vor dem UN-Sicherheitsrat am Freitag vor einer russischen Invasion. Kiew warf Moskau die Entsendung eines getarnten Militärkonvois vor. Ein „einseitiges Eingreifen Russlands auf ukrainischem Boden, etwa unter dem Vorwand humanitärer Hilfe, wäre völlig inakzeptabel und sehr alarmierend“, sagte Power. Die russische Regierung hatte dem Sicherheitsrat die Einrichtung humanitärer Korridore im Osten der Ukraine vorgeschlagen, damit Zivilisten vor den Kämpfen fliehen könnten.

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Am Sonntagabend sagte der Premierminister der selbst erklärten Republik Donezk, Alexander Sachartschenko, die pro-russischen Rebellen seien zu einem Waffenstillstand bereit. Alexander Sachartschenko, der die pro-russischen Rebellen in Donezk anführt, sagte, nur so lasse sich eine „humanitäre Katastrophe“ in der Industriestadt vermeiden. Es fehle an Strom und Wasser, die Lebensmittelvorräte gingen zur Neige. Sollte die ukrainische Armee die Stadt erobern wollen, würden die Rebellen aber „um jede Straße, um jedes Haus, um jeden Meter unseres Landes kämpfen“, sagte er. Die Regierung in Kiew reagierte zunächst nicht darauf.

Bei der politischen Führung der Ukraine und zahlreichen Beobachtern wächst derweil die Sorge über eine russische Invasion in die Ukraine. Unter dem Vorwand einer Friedensmission, so die Vermutung, will der Kreml in die Ostukraine eindringen. Nach dem Vorbild der Krim-Besetzung Ende Februar würden die russischen Sondertruppen dann strategisch wichtige Gebäude und Gebiete besetzen. Für diese Befürchtungen gibt es offenbar konkrete Beweise. Am Freitag soll ein humanitärer Konvoi begleitet von russischen Soldaten bis an die ukrainische Grenze herangefahren und ist im letzten Moment zu Stehen gekommen sein, melden ukrainische Medien. Sie beziehen sich auf nicht näher genannte Regierungskreise in der Ukraine. Wo sich der Vorfall ereignet hat, blieb unklar.

Der ukrainische Militärexperte Dmitri Tymtschuk wählt auf seiner Facebook- Seite drastische Worte, um, wie er schreibt, „die Weltöffentlichkeit aufzurütteln“. Derzeit sei die Regierung von Wladimir Putin dabei, in Friedensgesprächen Bereitschaft zu signalisieren, sogenannte Friedenstruppen in die Ostukraine zu entsenden oder einen solchen Einsatz anzuführen. „Moskau versucht derzeit seine Autorität in verschiedenen internationalen Organisationen geltend zu machen, um unter dem Deckmantel des Roten Kreuzes Streitkräfte in die Ukraine zu schicken“, schreibt Tymtschuk, der die ukrainische Regierung berät. In den Vereinten Nationen (UN), der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und anderen Institutionen seien Russlands Vertreter derzeit dabei, für den Einsatz von Friedenstruppen zu werben. Vor allem in der OSZE hat Moskau großen Einfluss, glaubt Tymtschuk.

"Die Pläne sind ausgearbeitet"

Die seit einigen Wochen in Minsk laufenden Friedensgespräche zur Ausgestaltung eines Friedensplanes für die Ostukraine seien auch deshalb in die weitgehend von der Öffentlichkeit abgeschottete weißrussische Hauptstadt verlegt worden, damit die Vertreter des Kremls „ihre aggressiven Pläne durchsetzen können“, schreibt der Militärexperte. An den Gesprächen nehmen neben Vertretern aus Russland auch die OSZE-Sonderbeauftragte Heidi Tagliavini sowie von ukrainischer Seite der frühere Präsident Leonid Kutschma teil. „Diese Runde vertritt nicht unbedingt die Interessen der heutigen Ukraine“, warnt Tymtschuk.

Am Freitagabend setzte sich der wichtigste außenpolitische Berater von Präsident Petro Poroschenko, der stellvertretende Leiter der Präsidialadministration, Valerie Tschaly, in die bekannte Politik-Talkshow „Schuster live“ und warnte ebenfalls davor, dass Russland eine Invasion vorbereite. „Die Pläne sind ausgearbeitet, Moskau ist bereits dabei, sie umzusetzen“, sagte der Politikwissenschaftler, der vor zehn Jahren bereits Poroschenkos Vor-Vorgänger, den pro-westlichen Präsidenten Viktor Juschtschenko, beraten hat. Laut Tschaly stehe die Ukraine „kurz davor, eine ernste Provokation durch Russland zu erleben“. Zwar sei der genaue Zeitplan nicht bekannt – „Es kann noch heute Abend passieren oder in den nächsten Tagen“ – doch müsse man sich „auf etwas gefasst machen“. Nicht nur unter der Tarnkappe der humanitären Hilfe würde Russland seiner Meinung nach angreifen, auch eine militärische Aktion schließe er nicht aus.

Gefahr an den Grenzen

An der Grenze der Ukraine stünden Tausende von Militärfahrzeugen und Soldaten, die nur auf den Einsatzbefehl warteten. Präsident Poroschenko habe in den vergangenen Tagen mehrfach Sicherheitsbeamten und den Nationalen Sicherheitsrat zu Dringlichkeitssitzungen zusammengerufen, um zu beraten, was in einem solchen Fall zu tun ist. Beim Kiew-Besuch von Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Donnerstag sei dieses Thema auch „ausführlich zur Sprache gekommen“. Ein ernstes Problem, so Tschaly, seien zudem die seit Wochen andauernden Grenzverletzungen durch Russland. Immer wieder drängen russische Flugzeuge oder Drohnen in den ukrainischen Luftraum ein. Zudem würden von russischer Seite Gebiete der Ostukraine beschossen, Zoll- und Grenzübergänge attackiert und teilweise sogar besetzt.

Diese Vorkommnisse hätten in den vergangenen Wochen deutlich an Anzahl und Schärfe zugenommen. „Die russische Seite tut derzeit alles, damit wir zurückschlagen“, sagte Tschaly. Damit bestätigte er Aussagen Präsident Poroschenkos, die dieser Ende Juli gegenüber einer Delegation der EVP-Fraktion des Europaparlaments gemacht hat. Damals gab Poroschenko zu, es werde für Soldaten und die militärische Führung der Ukraine zunehmend komplizierter, Ruhe zu bewahren und sich auf keinen Fall von Russland provozieren zu lassen.

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