zum Hauptinhalt
Krisenrunde. Die Außenminister Russlands, Deutschlands, der Ukraine und Frankreichs Anfang der Woche in Berlin.

© AFP

Ukraine: „Wir können die Herzen der Deutschen gewinnen“

Die Ukraine hofft auf mehr Unterstützung und fordert, die Sanktionen gegen Russland beizubehalten - ein Besuch beim neuen Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk.

Berlin - Richtig angekommen ist der neue ukrainische Botschafter in Berlin noch nicht. Dazu blieb keine Zeit. In den zehn Tagen, die Andrij Melnyk in Deutschland ist, war sein Regierungschef einmal und der Außenminister gleich zweimal da. Und in seinem Büro in der Botschaft gibt ein Besucher dem nächsten die Klinke in die Hand. Am liebsten würde der 39-Jährige über positive Nachrichten aus seinem Land reden, von den Reformen erzählen, die seine Regierung in Angriff nimmt, vom Kampf gegen die Korruption im Energiesektor oder der Reform der Justiz. Doch im Mittelpunkt aller Gespräche steht der Krieg in der Ostukraine.

Am Montag hatten die Außenminister der Ukraine, Deutschlands, Frankreichs und Russlands in der Villa Borsig, dem Gästehaus des Auswärtigen Amtes, bis in die Nacht verhandelt, um Wege aus dem Konflikt zu finden. Doch nach vier Stunden gingen sie mit leeren Händen. Die Gespräche seien „sehr schwierig“ gewesen, sagte Melnyk dem Tagesspiegel. „Aber wir müssen jede, auch die kleinste Chance nutzen.“ Wichtig sei, dass alle Seiten sich verpflichtet hätten, das Minsker Abkommen vollständig umzusetzen. Es dürfe nicht nur Fortschritte in ausgewählten Punkten der Vereinbarung geben, mahnte der Botschafter.

Humanitäre Hilfe gelangt nicht in die Ostukraine

Für die Ukraine ist die Kontrolle der Grenze zu Russland besonders wichtig. „Solange die Grenze nicht geschlossen ist, kann eine Umsetzung des Waffenstillstands kaum gewährleistet werden.“ Melnyk wies auch darauf hin, dass es für die Ukraine nicht möglich sei, humanitäre Hilfe in die von Separatisten kontrollierten Regionen zu schicken. „Alle Konvois, die wir organisiert haben, wurden an den Kontrollposten blockiert.“ Russland könne dann sagen, die ukrainische Regierung habe diese Leute im Stich gelassen.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk.
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk.

© Botschaft

An Deutschland und die Europäische Union appellierte der neue Botschafter, in der Frage der Russland-Sanktionen weiter Einigkeit zu zeigen. „Die Sanktionen wirken, Russland ist nun eher gesprächsbereit.“ Putin habe möglicherweise nicht damit gerechnet, dass die EU mit einer Stimme auftreten würde. „Die Sanktionen müssen beibehalten werden, solange wir auf der russischen Seite kein Entgegenkommen sehen.“ Erst wenn das Minsker Abkommen ganz umgesetzt sei, könne man über weitere Schritte reden.

Umstrittenes ARD-Interview des Regierungschefs

Der neue Botschafter war erst wenige Tage im Amt, da musste er umstrittene Aussagen seines Regierungschefs aus einem ARD-Interview verteidigen. Dort hatte Arseni Jazenjuk gesagt, man erinnere sich sehr gut an „die sowjetische Invasion in der Ukraine und in Deutschland“. Kritisierte er damit den Krieg gegen Hitler-Deutschland? Russland schickte wegen dieser Äußerung eine Verbalnote – aber nicht nach Kiew, sondern an das Auswärtige Amt in Berlin. Dessen Sprecher sagte, Jazenjuk könne wie jeder andere in Deutschland sagen, was er wolle. Die Haltung der Bundesregierung zur deutschen Vergangenheit sei klar. Melnyk betonte, er wolle nicht die Aussagen des Ministerpräsidenten kommentieren, dieser habe später klar gemacht, was gemeint sei. Es gehe um das, was die Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg in Osteuropa angerichtet habe. Russland wiederum habe die Äußerung Jazenjuks propagandistisch ausgenutzt.

Botschafter: Deutsche müssten "Drang nach Freiheit" verstehen

Eine seiner wichtigsten Aufgaben in Deutschland sieht Melnyk nun darin, Aufklärungsarbeit über den Konflikt in seinem Land zu leisten. Das werde nicht leicht sein, es gebe viele Vorurteile. „Die Maschine der russischen Propaganda ist in vollem Gange.“ Aber es gebe Tatsachen, die unbestreitbar seien. „Die Wahrheit ist auf unserer Seite“, glaubt Melnyk. Er könne sich nicht vorstellen, dass ein Land wie Deutschland kein Verständnis aufbringe für die Sorgen der Ukraine, „die sich von einem fürchterlichen Regime befreit hat“. Gerade die Deutschen mit ihrer Geschichte der Teilung müssten den „Drang nach Freiheit“ verstehen, hofft der Botschafter. „Ich glaube, dass wir die Herzen der Deutschen gewinnen können.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false