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Raketenwerfer. Dieses Mädchen spielt in Kiew mit tödlichem Kriegsgerät. Die Ukraine gedenkt dieser Tage der Toten vom Maidan.

© Reuters

Update

Ukrainekrise: Der Maidan gedenkt, im Osten werden Waffen abgezogen

Ein Jahr nach der Maidan-Revolution erinnert Kiew an die 100 Toten. Derweil meldet sich der gestürzte Ex-Präsident Janukowitsch aus Moskau zu Wort - wo gegen den Maidan demonstriert wird.

Die Innenstadt von Kiew gleicht dieser Tage einem Freilichtmuseum. Panzer, Geländewagen und Mehrfachraketenwerfer stehen dort, allesamt aus der Ostukraine. Bei einer Maidan-Gedenkfeier mit internationalen Gästen am heutigen Sonntag sieht das offizielle Programm auch vor, dass sich Bundespräsident Joachim Gauck die Schau ansieht. Am 20. Februar vergangenen Jahres waren innerhalb eines einzigen Vormittags rund 100 Menschen erschossen worden, einen Tag später flüchtete der damalige Präsident Viktor Janukowitsch, und am 22. Februar beschloss das ukrainische Parlament Neuwahlen.

Zur Waffenausstellung mit dem olivgrünen Kriegsgerät der Russen zog es bereits am Samstag viele Schaulustige: Familien mit Kindern kamen, aber auch viele alte Menschen wollten sehen, welche Waffen den Separatisten zur Verfügung stehen. Viele lassen sich fotografieren, besonders gefragt scheint der Raketenwerfer zu sein, dessen Vorgänger im Zweiten Weltkrieg „Stalinorgel“ genannt wurde. „Wenn man damit auf ein Dorf zielt, ist am Ende nicht mehr viel davon übrig“, erklärt Michail, er ist Professor an der Antonow-Universität.

Der Professor hat seinen Vortrag gerade beendet, als Innenminister Arsen Awakow auf dem Platz erscheint. Zusammen mit dem Vorsitzenden des Sicherheitsrats, Alexander Turtschinow, und Geheimdienstchef Valentin Naliwajtschenko eröffnet er die Ausstellung. Awakow redet nicht lange herum. „Jedem, der das hier sieht, wird klar: Unser Feind ist bestens ausgerüstet. Die Ukraine braucht deshalb Waffen aus den USA, um sich zu beschützen. Wären wir vor zwölf Monaten bereits im Besitz von Hightech-Waffen und einer modernen Armee gewesen, hätte der Feind uns nicht angegriffen“, sagte Awakow unter dem Applaus der Zuschauer.

Europa ist weiter gegen Waffenlieferungen

Doch die Europäer wollen eine andere Richtung einschlagen: Im Gespräch mit dem Tagesspiegel sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschuss im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU) während eines Kiew-Besuchs: „Im Augenblick sollte sich die Ukraine in erster Linie auf eine Modernisierung ihrer Wirtschaft und auf die Umsetzung wichtiger Reformen zur Bekämpfung der Korruption konzentrieren.“ Eine Fortführung der kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem derzeitigen Niveau brächte die Ukraine an den Rand eines Kollapses. Darauf spekuliere der russische Präsident Wladimir Putin möglicherweise nur. „Die EU will der Ukraine daher mit Geld anstatt mit Waffen helfen“, erklärte Röttgen, der nach seinem eintägigen Kiew-Aufenthalt nach Moskau reiste.
In der Ostukraine gingen die Kämpfe indes weiter. Obwohl seit einer Woche ein Waffenstillstand zwischen den Separatisten und der Ukraine gilt, starb aufseiten der Ukrainer ein Soldat, 40 wurden verletzt. Vor allem die Stadt Mariupol sei „Ziel von Militanten und Terroristen, es gab alleine dort in den vergangenen 24 Stunden über 30 Provokationen“, berichtete Andrej Lysenko, Sprecher des Sicherheitsrates, bei seinem täglichen Medienbriefing. Dennoch tauschten Kiew und die Separatisten Gefangene aus - und einigten sich überraschend darauf, doch mit dem Abzug schwerer Waffen zu beginnen. Dieser war in Minsk vereinbart worden, stand zuletzt aber gerade wegen der heftigen Kämpfe um Debalzewe nicht mehr auf der Tagesordnung.
Während in Kiew und in vielen anderen Städten an diesem Wochenende der Opfer des Maidan gedacht wird, hat sich Ex-Präsident Janukowitsch aus seinem Exil in Moskau zu Wort gemeldet. In mehreren Interviews mit dem russischen Fernsehen bestritt er, den Schussbefehl auf die Maidan-Aktivisten erteilt zu haben. Zudem betonte er, der legitime Präsident des Landes zu sein, und kündigte an, „in die Ukraine zurückzukehren“. Insgesamt machte der 64-Jährige einen unsicheren Eindruck, im Vergleich zum 20. Februar 2014 wirkte er um mehrere Jahre gealtert.

Ebenfalls in Moskau haben derweil etwa 40 000 Menschen gegen den prowestlichen Kurs Kiews demonstriert. „In der Maidan-Bewegung konzentriert sich alles Antirussische“, sagte eine Rednerin am Samstag auf einer Bühne in der Nähe des Kreml. „Niemals“ werde es in Russland eine „Farbenrevolution“ geben. Zu der Kundgebung für die Unterstützung des Krisengebiets Donbass hatten etwa 150 patriotische Organisationen aufgerufen.

Bei all dem Gedenken gerät fast in Vergessenheit, dass der Tod der 100 Menschen in Kiew immer noch nicht aufgeklärt ist. Innenminister Arsen Awakow kündigte allerdings für Montag einen „detaillierten Bericht über den 20. Februar 2014“ an.

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