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Ukraines Regierungschef Arseni Jazenjuk in Berlin: Der unbequeme Gast

Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk kommt an diesem Mittwoch nach Berlin. Von ihm sind zunehmend schärfere Töne zu hören. Nicht nur gegen Russland, auch gegenüber dem Westen, von dem er nachdrücklich mehr Hilfe fordert.

Eigentlich sind in Kiew noch Weihnachtsferien, nach Neujahr und dem orthodoxen Weihnachtsfest ist an diesem Mittwoch der erste Weihnachtstag. Für Ministerpräsident Arseni Jazenjuk und seine Regierungsmannschaft fallen die langen, bis Mitte Januar dauernden Feiertage jedoch aus. Jazenjuk kommt an diesem Mittwoch nach Berlin, er wird am Donnerstag Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem Vier-Augen-Gespräch treffen.

Derzeit schauen die Beobachter alle gebannt auf den 15. Januar. Wenn in Kiew die Ferien vorbei sind, soll es in der kasachischen Hauptstadt Astana eigentlich ein neues Gipfeltreffen im Ukraine-Konflikt geben. Die Runde wird auch „Normandie-Treffen“ genannt, weil es im Sommer 2014 schon einmal zu einem Treffen der Staatschefs Russlands, Frankreichs, Deutschlands und der Ukraine kam. Damals traf man sich am Rande der Feiern zum Gedenken an den „D-Day“, die Landung der West-Alliierten an der französischen Atlantikküste. Am Montag hatten sich ranghohe Diplomaten der vier Länder in Berlin getroffen, um über Wege zur Entspannung des Konflikts zu beraten. „Es waren konstruktive Gespräche, in denen sich Fortschritte ergeben haben“, hieß es später in Berlin. Allerdings gebe es „noch viele offene Fragen“. Ob das Gipfeltreffen in Kasachstan überhaupt stattfindet, ist noch offen. Die Bundesregierung hatte klar gemacht, dass die Kanzlerin nur fahren werde, falls es dort auch wirklich Fortschritte zu verkünden gebe.

Vielen im politischen Kiew gelten auch die möglichen Gespräche in Astana nur als Vorstufe von Verhandlungen im Genfer Format, unter Beteiligung der USA und an einem neutralen Ort. Astana hatte der russische Präsident Wladimir Putin als Gesprächsort ins Spiel gebracht. Das stößt vor allem im Lager von Regierungschef Jazenjuk auf wenig Gegenliebe. Ein Parteimitglied seiner Parlamentsfraktion „Volksfront“ sagte dem Tagesspiegel: „Die Zeiten, in denen Russland der Ukraine Vorgaben machen konnte, sind endgültig vorbei. Das sollte Russland und das sollte der Westen zur Kenntnis nehmen.“

Auch von Jazenjuk selber kommen immer wieder sehr harte Töne, wenn es um Russland geht. Während einer Pressekonferenz Ende November in Kiew unterstrich der 40-Jährige, welche Partner er sich für den Aufbau der Ukraine wünscht: „Europäische und amerikanische Hilfe ist willkommen, Russland brauchen wir nicht mehr“, sagte er damals vor westlichen Medienvertretern.

In den Ohren westlicher Zuhörer klingen solche Töne ungewohnt, doch in der Ukraine denken nicht nur viele in der Regierung in solchen Kategorien. Die Bevölkerung verlangt – nach fast einem Jahr der Amtszeit von Jazenjuk – Erfolge und Zugeständnisse der westlichen Partner. Die Ukrainer sind bereit, einen langen und auch harten Weg für das Ziel Europa auf sich zu nehmen, aber nicht um den Preis, weitere Gebietsverluste oder Zugeständnisse an Russland zu akzeptieren und von Moskau abhängig zu bleiben.

Der aus dem westukrainischen Czernowitz stammende Jazenjuk wird bei seinen Gesprächen mit Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf eine engere Westanbindung der Ukraine drängen. In der Ukraine wächst der Unmut darüber, dass die EU zu viel rede und zu wenig konkrete Hilfe leiste, vor allem wünscht man sich mehr westliche Investoren. Sollte die EU weiter so wenig Interesse zeigen wie bisher, scheut vor allem Jazenjuk nicht davor zurück, US-Firmen den roten Teppich auszurollen. In Kiew gehen derzeit bereits Vertreter der US-Firmen Halliburton und Pioneer Natural Ressources ein und aus. Diese Aktivitäten dürften vor allem Russland ein Dorn im Auge sein und auch in der EU keine Freude auslösen.

Jazenjuk ist einer, den man in EU-Ländern als „harten Hund“ bezeichnen würde. Anders als viele seiner ukrainischen Politikerkollegen verkörpert der promovierte Wirtschaftswissenschaftler einen neuen Politikertyp, der ohne Sentimentalitäten seinen Kurs verfolgt. Gerade diese Geradlinigkeit kommt bei den ukrainischen Wählern gut an. Es könnte sein, dass er bei Merkel mit seiner Art auf mehr Gegenliebe stößt als bei Gabriel. Während eines Kiew-Besuchs im Sommer 2009 – Gabriel war zu dieser Zeit Bundesumweltminister – gab es schon einmal eine Begegnung der beiden. Damals riet der Deutsche den Ukrainern, ohne Atomenergie auszukommen, mit am Tisch saß auch Jazenjuk als 35-jähriger Präsidentschaftskandidat. Er konnte Gabriels Vorschlägen wenig abgewinnen.

Kasachstans Staatschef Nursultan Nasarbajew, der Gastgeber des möglichen Gipfels in Astana, stellte sich im Dezember als unparteiischer Vermittler zur Verfügung und verwies auf die gleiche Nähe Kasachstans zu Russland und der Ukraine. Der Westen akzeptiert den Anspruch zwar nicht ganz vorbehaltlos, ist aber um ein engeres Verhältnis zu dem öl- und gasreichen Steppenstaat bemüht, der bei europäischen Langzeitplänen für diversifizierte Energielieferungen eine Schlüsselrolle spielt. Außerdem gilt Nasarbajew als Verhandlungsprofi. Bisher allerdings konnte auch er keine nennenswerten Erfolge bei der Bewältigung des Hauptproblems in der Ukraine-Krise vorweisen: Anders als Europa, Kiew und die USA sieht Russland sich nicht als Konfliktpartei und behauptet, nur über begrenzten Einfluss auf die Separatisten in der Ostukraine zu verfügen.

Energisch verwahrt Moskau sich daher auch gegen westliche Versuche, die Aufhebung der Russland-Sanktionen von Fortschritten im Ukraine-Konflikt abhängig zu machen. Genau das hatte Frankreichs Präsident Hollande erst am Montag erneut verlangt.

Erfolge, so der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Senat, Konstantin Kossatschow, würden allein von der Haltung Kiew abhängen. Statt Kompromissbereitschaft von der Erfüllung konkreter Forderungen an die Partner abhängig zu machen, müssten sich die Konfliktparteien und Vermittler auf ein gemeinsames Vorgehen beim Krisenmanagement einigen, forderte Kossatschow.

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