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Politik: Um des lieben Friedens Willen

Die Nato will nicht schon wieder über Awacs reden. Offen bleibt, was passiert, wenn die Türkei den Nordirak besetzt

Beunruhigt von Presseberichten, türkische Truppen hätten die Grenze zum Nordirak überschritten, griff Nato-Generalsekretär Lord Robertson am Sonntagabend zum Telefon. Wenige Stunden nach dem Gespräch mit dem türkischen Außenminister Abdullah Gül gab sich Robertson dann am Montag zuversichtlich. ,,Herr Gül hat mir versichert, dass die Medienberichte nicht korrekt sind und dass keine türkischen Streitkräfte in den Irak eingedrungen sind", sagte er.

Für die Nato herrscht nach dem Telefongespräch ihres Generalsekretärs mit Außenminister Gül nach wie vor der ,,Status quo", im Osten also nichts neues. Daher gibt es auch keinen Grund, über einen Rückzug der Awacs-Aufklärungsflugzeuge nachzudenken – zumindestens offiziell. Und so heißt es in Brüssel zur Diskussion in Berlin: Die Türkei sei nicht in den Nord-Irak einmarschiert, deshalb gebe es derzeit auch kein Problem. ,,Wir werden einen Teufel tun, den erst vor Tagen überwundenen Streit im Nato-Rat mit einer unnötigen, rein theoretischen und spekulativen Debatte über den eventuellen Rückzug unserer Awacs und Patriot wieder loszutreten", sagt ein Nato-Diplomat. ,,Wir sind doch keine politischen Selbstmörder".

Tatsächlich aber käme die Nato in eine peinlich Lage, wenn die Türkei den in den vergangenen Tagen schon angekündigten, dann aber wieder dementierten Schritt über die Grenze vollzöge. Dann stünde nämlich um eine aktive Teilnahme am Irak-Krieg zur Debatte. Die Atlantische Allianz ist aber laut Nato-Vertrag ein Verteidigungsbündnis. Im Artikel 1 des Nordatlantikvertrags beruft sich das Bündnis ausdrücklich auf die Charta der Vereinten Nationen und damit auf das Friedensgebot. Die Nato-Mitgliedsländer verpflichten sich, ,,sich jeder Gewaltandrohung und Gewaltanwendung zu enthalten."

Ein militärischer Vorstoß der türkischen Armee in den Nordirak widerspräche dieser Verpflichtung, meinen deutsche Diplomaten in Brüssel. Die Türkei würde ihren Schutzanspruch durch die Nato verlieren. Die Rücknahme des erst nach langen Streitereien mit den Deutschen, Franzosen und Belgiern zustande gekommenen Nato-Beschlusses von Mitte Februar, die Türkei militärisch zu schützen, würde jedoch schwierig werden.

Die Entscheidung zum Abzug müsste nämlich einstimmig im Nato Rat getroffen werden. Und dort haben alle 19 Mitgliedstaaten Sitz und Stimme – also auch die Türkei. Ankara wird aber, während im Nachbarland der Krieg tobt, wohl kaum damit einverstanden sein, dass die Nato ihre Engagement verringert und könnte daher ein Veto einlegen.

Ein einseitiger Rückzug der deutschen Beteiligung am Nato-Beistand würde – zumindest formal – nicht im Widerspruch zu den Regeln der Allianz stehen. Laut Artikel 5, dem Beistandskapitel des Nato-Vertrags, bleibt es jedem Mitgliedsland selbst überlassen, wie und mit welchen Kräften es dem bedrohten Nato-Partner beisteht. Eine Verpflichtung, einer bestimmten Anforderung der Nato Folge zu leisten, besteht nicht.

Sollte Deutschland seine Soldaten abziehen, wäre der politische Schaden für das Bündnis enorm. Militärisch allerdings käme die Nato nicht in allzu große Schwierigkeiten. Die deutschen Besatzungen der Awacs wären, nach Auskunft von Nato-Diplomaten, ohne Probleme zu ersetzen.

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