zum Hauptinhalt
Allgegenwärtiger Staat. Russlands Inlandsgeheimdienst FSB erhält weitere Kontrollrechte bei der Internet-Überwachung.

© picture-alliance/ dpa/dpaweb

Umfassende Befugnisse für den FSB: Geheimdienst erhält komplette Kontrolle über russische Internetnutzer

Der russische Geheimdienst FSB erhält völligen Zugriff auf die Internet- und Telefonverbindungen: Mailen, skypen, lesen - in Zukunft können die russischen Geheimdienstmitarbeiter alles sehen. Ihre Befugnisse sind dann umfassend. Doch schon regt sich Widerstand.

Es ist ein Jammer, dass George Orwells Erben Plagiatsversuche per Gerichtsbeschluss verhindern dürften. Denn Moskaus neuester Versuch, das Internet gleichzuschalten, würde selbst mäßig begabten Autoren die Steilvorlage für einen Thriller liefern, gegen den Orwells Roman „1984“ harmlos wie ein Kinderbuch daherkommt. Denn ganz egal, ob sich Internetnutzer in Russland online einen Rasenmäher kaufen, per E-Mail Kuchenrezepte austauschen, über Skype telefonieren oder bei Wikipedia ihre Allgemeinbildung vervollkommnen: Der russische Inlandsgeheimdienst FSB darf ihnen dabei künftig über die Schulter sehen und sich Notizen machen.

Das Vorgehen, so schrieb die Moskauer Tageszeitung „Kommersant“ am Montag, habe das Ministerium für Telekommunikation mit dem KGB-Nachfolger FSB bereits abgestimmt. Damit sollen alle russischen Internetprovider dazu verdonnert werden, auf ihren Servern Anlagen zu installieren, die den Geheimdienstlern direkten Zugriff auf alle im Netz ausgetauschten Daten der vergangenen zwölf Stunden ermöglichen. Erfasst und gespeichert werden sollen auch die Mail- und Internetadressen der User und deren Telefonnummern. Durch die Telefonnummern lassen sich Vor- und Zuname der Surfer präzise und zeitnah ermitteln, Festnetzanschlüsse – über sie laufen die meisten Internetverbindungen – geben zudem Auskunft über die genauen postalischen Adressen der User.

Die Regelungen sollen zum 1. Juli 2014 in Kraft treten, sagte der Vizechef des Parlamentarischen Ausschusses für Sicherheit und Korruptionsbekämpfung, Alexander Hinstein, dem Radiosender Echo Moskwy. Er sitzt mit einem Mandat der Kreml-Partei „Einiges Russland“ in der Duma – und die könnte dank einer satten absoluten Mehrheit ein entsprechendes Gesetz problemlos durchwinken. Geplant ist indes bisher lediglich eine Verfügung des Telekommunikationsministeriums, die nur vom Justizministerium abgesegnet werden müsste, um in Kraft zu treten. Kritische Experten glauben, mit diesem Procedere wolle der Kreml neue Kritik des Auslands an Russlands Sonderweg zur Demokratie vermeiden.

Ganz ohne Störgeräusche indes wird es auch mit einer Verfügung nicht abgehen. Denn die Datensammelwut der Schnüffler soll sich nicht nur auf rein russische Dienste beschränken. Auch die populäre Suchmaschine „yandex“ etwa oder das soziale Netzwerk „v kontakte“, über das sich die Massenproteste nach den umstrittenen Parlamentswahlen von 2011 organisierten, sind betroffen. Putins Paladine wollen auch wissen, was der Bürger bei Facebook, Twitter oder Google so von sich gibt. Deren Geschäftsführungen dürften die Kröte nicht einfach schlucken. Auch die großen russischen Provider wie Wympelcom, die um ihre Gewinnmargen fürchten, haben bereits mit Widerstand gedroht und wollen notfalls bis vors Verfassungsgericht ziehen.

Solche Kritik käme für Russlands Präsident Wladimir Putin ungelegen, weil der Countdown für die Olympischen Winterspiele in Sotschi schon in vollem Gange ist. Internationale Menschenrechtsorganisationen und einzelne westliche Politiker hatten zum Boykott aufgerufen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false