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Pflegebedürftige sind oft einsam. Doch Gleichaltrige scheuen den Kontakt.

© Daniel Reinhardt/dpa

Umfrage mit überraschendem Ergebnis: Je älter, desto weniger Kontakt zu Pflegebedürftigen

Von Gleichaltrigen werden Pflegebedürftige nicht etwa am häufigsten, sondern am seltensten besucht. Das ist das überraschende Ergebnis einer Krankenkassenstudie.

Ausgerechnet in der Rentnergeneration machen viele einen großen Bogen um Pflegebedürftige. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag des privaten Krankenversicherers DKV, die dem Tagesspiegel vorliegt. Demnach haben knapp zwei Drittel der über 65-Jährigen nach eigenen Angaben selten oder nie persönlichen Kontakt zu pflegebedürftigen Menschen. Auf derart wenige Kontakte kommt ansonsten nur noch die Altersgruppe der unter 30-Jährigen.

Gezieltes Vermeidungsverhalten

Das Ergebnis überrascht, weil alte Menschen in ihrem Bekannten- und Freundeskreis weit häufiger mit Pflegebedürftigkeit konfrontiert sein müssten als Jüngere - und Experten können es sich nur mit gezieltem Vermeidungsverhalten erklären. Es gebe bei den Älteren „ein Phänomen, dass Pflegebedürftigkeit ausgeblendet wird“, sagt Bernd Reuschenbach von der Katholischen Stiftungsfachhochschule München. Viele in dieser Altersgruppe wollten sich nicht mit dem Thema Pflege auseinandersetzen und hätten „dann auch Probleme, auf pflegebedürftige Freunde oder Nachbarn zuzugehen“. In anderen Ländern sei solches Verhalten weniger ausgeprägt, behauptet der Gerontologe. In den Niederlanden etwa gehöre „zorg“ – die Sorge um behinderte oder alte Menschen – für die Menschen eher zum Alltag. Hierzulande dagegen blieben Hochbetagte oft allein. Bei einer Befragung von Pflegekräften eines Heimes im Kreis Altötting fand der Wissenschaftler heraus, dass 12,4 Prozent der Heimbewohner in den vergangenen sechs Monaten kein einziges Mal von Freunden, Verwandten oder Nachbarn besucht worden waren.

Keine Zeit für Besuche

In Deutschland gebe es eine „defizitäre Ehrenamtsstruktur“, sagt Reuschenbach, „da sind uns andere Länder wirklich voraus“. Den Grund sieht er in der „Ökonomisierung des Alltags“. Die Deutschen seien sehr leistungsorientiert, da bleibe für Altenbesuche und soziale Fürsorge keine Zeit. „Die Pflege“, sagt Rauschenbach, „hat in Deutschland ein schlechteres Image als in anderen europäischen Gesellschaften.“

Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) fühlt sich knapp jeder fünfte Pflegebedürftige in Deutschland einsam. Besonders betroffen sind verwitwete Frauen, die alleine leben.

Männer kümmern sich am seltensten

Der DKV-Umfrage zufolge haben nur 15 Prozent der Menschen hierzulande täglichen Kontakt mit Pflegebedürftigen. Bei Frauen sind es 19, bei Männern elf Prozent. Das ist nicht verwunderlich: Frauen stellen schließlich auch zwei Drittel der Pflegepersonen zuhause und 88 Prozent des Pflegepersonals in Pflegediensten.

Am meisten mit Pflegebedürftigen zu tun hat die Altersgruppe der 46- bis 65-Jährigen. Hier kommt jede(r) Fünfte auf einen täglichen Kontakt.

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