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SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Umfragetief und schlechte Stimmung: Der lange Weg der SPD zurück

Die SPD kommt nicht voran. Denkt sie. Aber bei dieser Partei geht es eben nicht so schnell. Sie ist weniger eine geborene Regierungs- als eine Oppositionspartei. Ihr das auszutreiben, kann lange dauern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Alles spricht dafür, dass der Bericht im „Spiegel“ über die SPD-Vorstandsklausur in Nauen vor einiger Zeit stimmt. Dass also zutreffend Stimmung und Einschätzung beschrieben sind: Die Bundestagswahl 2017 ist nicht zu gewinnen. Die jüngsten Umfragen sprechen außerdem dafür. Die Lage lässt sich jedenfalls auf dieser Grundlage nicht dementieren.

Aus Sicht des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel muss man sagen, dass alles immer nur noch schlimmer wird. Aus Sicht der CDU und ihrer Frontfrau Angela Merkel heißt das: Es wird immer nur noch besser. Jetzt hat die Union doch tatsächlich mehr Stimmen zusammen als Rot-Rot-Grün, wenn die sich zusammentäten, um an die Macht zu gelangen. Da hilft auch kein noch so pragmatischer Bodo Ramelow, der in Erfurt der erste Linken-Ministerpräsident ist.

Die SPD macht sich größere Schwierigkeiten, als andere das tun

So kommen bei der SPD natürlich keine Frühlingsgefühle auf. Nur Erinnerungen an Herbert Wehner, der nach dem Machtverlust der sozialliberalen Koalition 1982 düster einen langen, langen Weg zurück prophezeite. Keiner wollte es gerne hören, klar. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem man sich nicht mehr darüber hinwegtäuschen darf, wie es ist. Und mit dem Beschreiben der Wirklichkeit beginnt bekanntlich mindestens der ernsthafte Versuch, etwas – oder auch sich – zu verändern.

Ja, aber was muss die SPD verändern? Bisher setzt sie in der Regierung darauf, anständig ihre Agenda abzuarbeiten, die Themen, die ihr aufgetragen sind, akkurat umzusetzen. Dabei macht sie sich als Partei größere Schwierigkeiten, als andere das tun. Das hat mehrere Gründe. Erstens ist es gewissermaßen in ihrem genetischen Code verankert; sie ist in der Grundanlage – den vielen Regierungsjahre in Bund und Ländern wie zum Trotz – weniger eine geborene Regierungs- als eine Oppositionspartei. Zum Zweiten ist die SPD skrupulös, wenn es um den Gebrauch von Macht geht.

Provokant ausgedrückt: Die SPD versteht Solidarität nicht als eine mit denen, die sie in Regierungen vertritt. Und manchmal erst recht nicht mit denen, die für die Partei in Regierungen sitzen. Sie kann sich selbst die beste Opposition sein. Das haben noch alle Kanzler der SPD erlebt und können ein Lied davon singen; aber nicht „Wann wir schreiten Seit’ an Seit’“.

Die Partei folgt einer irrigen Annahme

Das ist bei der Union ganz anders, war es immer. Da kann die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende ihrer Partei einen Kurs vorgeben, den nur sie gut findet, oder einen, dessen Sinn allein sie versteht – einerlei, bis auf zwei, drei Funktionäre, die dagegen reden, aber nichts zu sagen haben, folgt die CDU. Kanzler(innen)wahlverein ist sie, aber weniger aus tiefer Einsicht als wegen der Ansicht, dass Opposition Mist ist. Hier sprach Franz Müntefering, der Sozialdemokrat, den Christdemokraten aus der Seele, nicht seiner SPD. Die folgt der irrigen Annahme, dass Parteiprogramme mehr Einfluss auf die Wähler haben als konkrete Ergebnisse beharrlicher Regierungsarbeit zur Veränderung, ja Verbesserung der Lebensumstände möglichst vieler Menschen.

Diesen Kurs aber – und darin liegt geradezu eine gedankliche Revolution – hat Sigmar Gabriel der SPD verschrieben. Dem folgt sie bisher. Und er kann zum Ziel führen, bloß eben nicht schnell, weil dieses Umdenken der Bevölkerung erstmal klar werden muss. Schneller muss es aber der SPD klar werden. Sonst dauert es noch viel länger bis zum nächsten Kanzler.

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