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© dpa

Umstrittener Ort der Trauer: Bundeswehr-Ehrenmal in Berlin eröffnet

Am selben Tag, an dem der Bundestag sich mit zivilen Opfern in Afghanistan befasst hat, wurde in Berlin das umstrittene Ehrenmal für getötete Bundeswehrsoldaten eröffnet.

Von Michael Schmidt

Berlin - Koinzidenz der Ereignisse: Der deutsche Kampfeinsatz am Hindukusch will es, dass die Einweihung des umstrittenen Ehrenmals für getötete Bundeswehrangehörige ausgerechnet an jenem Tag stattfand, an dem der Bundestag sich mit dem Luftangriff auf zwei Tanklastwagen in Afghanistan befassen musste, der viele, auch zivile Opfer gefordert hat. Bundespräsident Horst Köhler hielt am Dienstag die zentrale Festansprache im Bendlerblock in Berlin, dem Sitz des Verteidigungsministers. „Es ist gut, dass wir diesen Ort jetzt haben“, sagte Köhler.

Das neue Denkmal „mutet uns etwas zu“ – unter anderem das Nachdenken darüber, „welchen Preis wir zu zahlen bereit sind für ein Leben in Freiheit und Sicherheit“. Es mute den politisch Verantwortlichen zu, „sich immer wieder zu vergegenwärtigen, dass ihre Entscheidungen Menschenleben kosten können“. Und es mute „uns allen die Einsicht zu, dass der Staatsbürger in Uniform kein abstraktes Konzept ist, sondern dass unsere Soldatinnen und Soldaten unsere eigenen Söhne, Töchter, Partner und Freunde sind“.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), von dem 2005 die Initiative für die Gedenkstätte ausgegangen war sagte, Soldaten gehörten „der einzigen Berufsgruppe an, die schwört, mit Risiko für Leib und Leben Recht und Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“. Deshalb, so des Ministers Credo, „ist es unsere Aufgabe, alle in ehrender und würdiger Form in Erinnerung zu behalten“.

Der Vater eines 2007 nach vier Monaten Einsatz in Afghanistan bei einem Selbstmordanschlag getöteten Bundeswehr-Soldaten äußerte in bewegenden Worten den Wunsch nach mehr Wahrheit, Offenheit und Anteilnahme. Angehörige fühlten sich mit ihrer Trauer und ihrem Schmerz sowohl in ihrem Lebensumfeld als auch von Politik und Bundeswehr „häufig alleingelassen und unverstanden“. Politiker benutzten allzu oft eine Sprache, die das Volk nicht verstehe, viele Dinge „werden angesprochen, aber nicht beim Namen genannt“. „Wir Menschen da draußen vertragen sehr viel mehr Wahrheit und Offenheit als Politiker uns offenbar zutrauen“, sagte er. Angehörige und Hinterbliebene aber wollten sich angesichts der Nachricht vom Tod eines jungen Menschen, der „eine Geschichte hinter sich, aber keine Zukunft mehr vor sich“ hat, nicht mit Worten arrangieren, die nicht nach Wirklichkeit klängen.

Das Ehrenmal, über deren Standort, Gestaltung und Sinn die Politik jahrelang gestritten hatte, soll an die Toten der deutschen Streitkräfte erinnern. Seit Gründung der Bundeswehr 1955 starben etwa 3100 Soldaten und Zivilbeschäftigte im Dienst. Nach den Plänen des Münchner Architekten Andreas Meck entstand ein 250 Quadratmeter großer, öffentlich zugänglicher Bau aus Stahlbeton, der durch eine Schiebewand zum Ministeriumsgelände hin abgegrenzt werden kann – Baukosten etwa vier Millionen Euro. Im Inneren findet sich ein in Schwarz gehaltener Raum der Stille, wo an einer Gedenktafel Kränze und Blumen niedergelegt werden können. Umhüllt wird das Gebäude von einem Bronzekleid, aus dem halbe Ovale ausgestanzt sind. Diese sind den Erkennungsmarken von Soldaten nachempfunden, die bei deren Tod in der Mitte durchgebrochen werden. Die Inschrift lautet: „Den Toten unserer Bundeswehr für Frieden, Recht und Freiheit“.

Der Namen jedes Mannes und jeder Frau, die im Kampf, bei Anschlägen, bei Übungen und Flugzeugabstürzen das Leben verlor, soll im Raum der Stille durch Buchstaben aus Licht visualisiert werden, die für einige Sekunden aufscheinen und dann wieder verlöschen. Geehrt werden nicht nur Soldaten, die gefallen sind. Das Mahnmal erinnert auch an Unfalltote bei Manövern oder an Einsatzkräfte, die sich wegen der psychischen Belastung im Auslandseinsatz das Leben nahmen. Die Entscheidung, aller zu gedenken, war lange umstritten. Einige Politiker hatten für ein Ehrenmal plädiert, das nur jenen Bundeswehrsoldaten gewidmet ist, die im Einsatz starben – bisher sind das 81 Menschen. Das Verteidigungsministerium wollte hingegen von Anfang kein reines Gefallenendenkmal, sondern ein Ehrenmal für alle Angehörigen der Bundeswehr – auch für die Zivilbeschäftigten.

Zahlreiche Abgeordnete hatten sich – „die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee“ – für ein Mahnmal vor dem Reichstag stark gemacht – auch, um alle Parlamentarier fortlaufend an ihre große Verantwortung bei Entscheidungen über Militäreinsätze zu mahnen. Doch Verteidigungsminister Jung wandte sich gegen einen Standort in der Nähe des Bundestages. Für ihn ist der Bendlerblock der Ort in Berlin, „der wie kein anderer für die Bundeswehr steht“. Er setzte durch, das Ehrenmal direkt an seinem Ministerium zu errichten. Als zentrales Ehrenmal – bisher hat jede Waffengattung ihr eigenes. Im Gegenzug soll nach Jungs Vorstellungen das öffentliche Rekrutengelöbnis, das jedes Jahr an die Hitler-Attentäter des 20. Juli 1944 erinnert, dauerhaft vom Bendlerblock zum Reichstag wandern.

In seiner Ansprache nahm Köhler häufig geäußerte Vorbehalte auf: „Wir sind uns bewusst, dass der Soldatentod in der Vergangenheit oft propagandistisch missbraucht und überhöht wurde – gerade in Deutschland. Das Ehrenmal der Bundeswehr jedoch treibt keine falsche Heldenverehrung, es dient keinem Opferkult und es verherrlicht keinen Krieg“, sagte Köhler. „An diesem Ort wird nichts verklärt. Es ist ein Ort der Trauer.“

Am Rande der Zeremonie, an der auch die beiden Militärbischöfe, der Augsburger Bischof Walter Mixa und der lippische Landessuperintendent Martin Dutzmann teilnahmen, kam es zu Protesten von Kriegsgegnern. Ein Demonstrant wurde nach Zwischenrufen – „Soldaten sind Mörder“ – von Polizisten abgeführt. Öffnungszeiten der Gedenkstätte: werktags von 9 bis 18, donnerstags bis 20 Uhr, am Wochenende von 10 bis 18 Uhr.

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