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Umwelt: Der Medienkonsum steigt, der Jobeinstieg wird anspruchsvoller

Medien, die Peer-Group, Rollenerwartungen an die verschiedenen Geschlechter oder die Aussicht auf einen Job – viele Faktoren jenseits von Kita und Schule beeinflussen Bildungsbiografien, können Jugendliche motivieren oder im Gegenteil negative Einflüsse verstärken.

Beispiel Soziales Umfeld: Geringes Einkommen, niedrige Bildung und eine nichtdeutsche Familiensprache – normalerweise führen diese drei Komponenten sicher ins schulische Abseits, wie fast jede deutsche Bildungsstatistik belegt. Eine Ausnahme bilden allerdings die Schüler mit vietnamesischen Wurzeln. Sie besuchen häufiger als deutschstämmige Kinder das Gymnasium und erreichen bessere Mathematiknoten als ihre Mitschüler. „Diese Befunde gehen mit der Annahme konform, dass Leistung und Bildung in bestimmten ost- und südostasiatischen Migrantengruppen wie den Vietnamesen hoch geschätzt werden“, heißt es in einer Auswertung von Pisa-Daten durch den Kieler Bildungsforscher Oliver Walter. Er spricht denn auch von „kulturspezifischen bildungsrelevanten Werten“, die die Eltern dazu bringen, von ihren Kindern Leistung zu verlangen. In Berlin führt dieses Selbstverständnis dazu, dass die vietnamesischen Schüler fast doppelt so häufig wie die russischen und mehr als fünfmal so häufig wie die libanesischen das Gymnasium besuchen. In der Sonderschule sind sie kaum zu finden.

Beispiel Arbeitsmarkt: In einem hochtechnisierten Land wie Deutschland werden Ausbildungen und Jobs immer anspruchsvoller. Welche Konsequenzen der Wandel der Arbeitswelt und der Wegfall ganzer Industriezweige haben, ist gerade in Berlin gut zu beobachten. In den neunziger Jahren hätten junge Berliner mit Migrationshintergrund noch gute Chancen gehabt, Arbeitsplätze in einfachen technischen Bereichen zu bekommen, sagt Holger Seibert, Soziologe am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Berlin: „Doch jetzt gibt es diese Jobs einfach nicht mehr.“ Gut möglich, dass diese düsteren Perspektiven bildungsferne Jugendliche demotivieren. Seibert spricht von „anekdotischen Evidenzen“: „Spricht man mit den Betroffenen, hört man oft: ,Wir werden sowieso Hartz IV’ – eine bedrohliche Einstellung.“

Tatsächlich finden 30 Prozent der Schüler, die nach der Mittelstufe abgehen – etwa 350 000 Jugendliche bundesweit –, zunächst keinen Ausbildungsplatz und werden im Übergangssystem weiterqualifiziert, wie aus dem Nationalen Bildungsbericht hervorgeht. Drei Viertel dieser Schüler sind Schulabbrecher oder haben nur einen Hauptschulabschluss. Seibert sagt, die Übergangssysteme würden zwar helfen, gleichzeitig aber auch stigmatisieren: „Für Arbeitgeber ist es ein Warnsignal, wenn ein Jugendlicher das durchlaufen hat.“ Von 2008 bis 2012 hat sich der Anteil der jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss denn auch nur leicht verringert: von 17,2 Prozent auf 14,9 Prozent.

Beispiel Medien: Computer, Smartphone,

Fernsehen – rund um die Uhr wirken heute unterschiedlichste Medien auf Kinder ein. „Traditionelle“ Formen wie Radio und Fernsehen haben über die Jahre dennoch nicht an Hör- und Sehzeit verloren. Vielmehr nutzen Kinder und Jugendliche Internet und Videospiele zusätzlich, wie die JIM-Langzeitstudie (Jugend, Information, (Multi-) Media) zeigt. Zehn Prozent der Elfjährigen verbringen mehr als sechs Stunden täglich vor Computer und Fernseher (während umgekehrt fast ein Drittel diese weniger als zwei Stunden nutzt).

Die These des umstrittenen Psychiaters Manfred Spitzer, die digitale Welt bringe Kinder „um den Verstand“, geht vielen Forschern aber zu weit. Zwar sehen Studien einen Zusammenhang zwischen übermäßigem Medienkonsum und schlechten Schulleistungen. Für Sven Jöckel, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Erfurt, klären diese Studien allerdings kaum, ob Medienkonsum wirklich die Ursache für schlechte Noten ist oder nicht doch eher ein Symptom familiärer Probleme. Es gebe auch positive Auswirkungen. Spielen an der Video-Konsole beispielsweise fördert das räumliche Vorstellungsvermögen. Und manche Lernprogramme schaffen es besser als Lehrer, Kinder für ungeliebte Themen zu begeistern. (tiw/sve)

Den Haupttext zum Thema Chancenungleichheit "Welche Chancen hat ein Kind in Deutschland?" lesen Sie hier.

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