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Politik: Umweltminister Trittin gibt sich betont sachlich. Die Forderungen nach schnellem Atomausstieg kommen von ganz allein

Wer geglaubt haben sollte, er werde einen triumphierenden Jürgen Trittin erleben, sah sich getäuscht. Ein sehr ernster, sehr bedächtiger, sehr sachlicher Umweltminister kommentiert am Freitag den Atomunfall in der japanischen Brennstofffabrik Tokaimura.

Von Robert Birnbaum

Wer geglaubt haben sollte, er werde einen triumphierenden Jürgen Trittin erleben, sah sich getäuscht. Ein sehr ernster, sehr bedächtiger, sehr sachlicher Umweltminister kommentiert am Freitag den Atomunfall in der japanischen Brennstofffabrik Tokaimura. "In so einer Situation fühlen Sie sich nicht bestätigt", bescheidet Trittin einen Frager. Der Grüne weiß, dass Auftrumpfen unnötig ist: Die Ereignisse sprechen für sich.

So bedient sich Trittin betont zurückhaltender Formulierungen. Der Unfall zeige einmal mehr, dass technische Prozesse nie völlig störungsfrei zu beherrschen seien: "Dies bietet erneuten Anlass zum Nachdenken, ob eine solche Technologie verantwortbar ist." Nur einmal lässt er sich etwas gehen, als er auf das noch fast druckfrische Pro-Atom-Memorandum von fast 600 Professoren zu sprechen kommt, deren Plädoyer gegen einen Ausstieg in der Aussage gipfelte, Atomkraft sei heute nicht gefährlicher als ein Windrad. Die Kettenreaktion in Tokaimura sei ein "bitteres Dementi für jene professoralen Leichtfertigkeiten", befand Trittin.

Da wird sogar Ernst-Ulrich von Weizsäcker deutlicher: Die Bürger seien die Lügen der Experten satt, sagt der Energieexperte und SPD-Bundestagsabgeordnete bei einer Buchvorstellung in Stuttgart. Der Zufall will es, dass Werner Müller bei der gleichen Veranstaltung ist.

Der Wirtschaftsminister, als früherer Veba-Manager Kanzler Gerhard Schröders wichtigster Mann in Sachen Atomkonsens und ständiger Widerpart Trittins, mag sich zu dem Unfall noch nicht äußern. Aber dass Atomkritiker jetzt neue Forderungen nach einem Atomausstieg stellten, könne er ihnen nicht verdenken. Diese Forderungen kommen ja auch: Von der Grünen-Umweltpolitikerin Michaele Hustedt bis zum frisch gekürten Alternativen Nobelpreisträger, dem "Sonnenenergiepapst" Hermann Scheer (SPD), von Greenpeace bis zur Gesellschaft für Strahlenschutz (GGS).

Die Atomlobby hat da einen schweren Stand. "Vertrauensverlust" räumt das Atomforum ein. Aber ein derart schwerer Verstoß gegen Sicherheitsnormen, wie er in Japan geschehen sei, sei "beim Stand der deutschen Sicherheitskultur und Sicherheitspraxis" auszuschließen.

Trittin findet solche Versicherungen wenig überzeugend: Egal wie hoch der Standard sei, 100 Prozent Sicherheit gebe es nicht. Und das könne nun mal im Falle der Atomtechnik fürchterliche Folgen haben.

Anlass für Panik in Deutschland sieht der Minister indessen nicht: Dass ausgetretene Radioaktivität von Japan hierher gelangt, ist zwar nicht ganz ausgeschlossen, aber recht unwahrscheinlich. Und in deutschen Anlagen wird - anders als in Tokaimura - nicht mit hochradioaktivem Uran gearbeitet.

Anlass für Überprüfungen sieht Trittin aber sehr wohl: Die Brennstofffabrik in Lingen wird jetzt ebenso noch einmal von der Reaktorsicherheits- und der Strahlenschutzkommission des Bundes unter die Lupe genommen wie die geltenden Katastrophenpläne. Die Kommissionen hatte Jürgen Trittin neu besetzt - jetzt reden dort auch Atomkritiker mit.

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