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Politik: Umweltrat hält Kohle für Fehlinvestition

Regierungsberater fordern von Deutschland auch künftig eine Vorreiterrolle im Klimaschutz

Berlin - Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) rät der nächsten Bundesregierung, ihre Vorreiterrolle beim Klimaschutz beizubehalten. Die sieben Umweltweisen haben am Mittwoch eine Stellungnahme zur Klimapolitik vorgelegt, in der sie vor allem die Festlegung von mittel- und langfristigen Zielen zur Verminderung von Treibhausgasen fordern. Demnach soll Deutschland seinen Ausstoß an Treibhausgasen bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren, wenn die Europäische Union sich auf eine Minderung von 30 Prozent einlässt. Bis 2050 soll Deutschland seine Emissionen um 80 Prozent senken. Nur wenn diese Ziele schnell und verbindlich festgelegt würden, könne sich die Industrie auf den notwendigen Strukturwandel einstellen, sagte Professor Martin Jänicke, Leiter der Forschungsstelle Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin.

Angesichts der jüngsten Prognosen des Max-Planck-Instituts (MPI) für Meteorologie in Hamburg sei eine anspruchsvolle Klimapolitik noch dringlicher geworden, sagte Jänicke. Das MPI hat errechnet, dass die globale Erwärmung im günstigsten Fall bis 2100 bei durchschnittlich 2,5 Grad liegen dürfte, im ungünstigen Fall bei 4,1 Grad. Die meisten Klimaforscher halten eine Erwärmung um zwei Grad für gerade noch beherrschbar. Da sich die Erde schneller aufheizt, als bisher angenommen, sieht der SRU „keinen Anlass, das Tempo der deutschen Klimapolitik zu verlangsamen und die deutsche Vorreiterrolle im Klimaschutz aufzugeben“.

Jänicke traut dabei einer großen Koalition einiges zu: „Die Energieversorgung muss klimafreundlich werden. Eine große Koalition muss da nicht so viele Rücksichten nehmen.“ Jänicke spielte damit auf den Einfluss der Kohlelobby auf den SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement bei der Ausarbeitung des nationalen Zuteilungsplans von Kohlendioxid (CO2) für den Emissionshandel an. In der zweiten Handelsperiode von 2008 bis 2012 müsse der Ausstoß von CO2 drastisch gesenkt werden. Schon jetzt sei absehbar, dass Emissionszertifikate „knapp werden“. Denn die deutschen Energiekonzerne setzen weiter auf Kohlekraftwerke. Im Gutachten nennt der SRU die Braunkohlekraftwerke in Grevenbroich-Neurath, wo RWE zwei Kraftwerksblöcke mit einer Leistung von je 1050 Megawatt plant, und in Boxberg, wo Vattenfall einen Meiler mit einer Leistung von 660 Megawatt bauen will. Zudem planen Eon, Vattenfall und Steag neue Steinkohlekraftwerke, die nur unwesentlich klimafreundlicher sind. Jänicke sagt: „Wer heute in Kohle investiert, ohne dass eine Technik zur Abscheidung von CO2 und der Verpressung in tiefe Erdschichten wirtschaftlich zur Verfügung steht, ist in großer Gefahr, eine Fehlinvestition zu tätigen.“

Der Umweltrat plädiert dafür, vor allem auf effiziente Gaskraftwerke und erneuerbare Energien zu setzen. Vor allem beim Energiesparen seien noch lange nicht alle Potenziale ausgeschöpft. Investitionen in klimafreundliche Techniken hätten den Vorteil, dass die Energiekosten sinken, und Arbeitsplätze geschaffen werden. Jänicke hält es trotz der bisher mageren Bilanz der EU beim Klimaschutz durchaus für möglich, dass sie ihre im Kyoto-Protokoll zugesagten Ziele noch einhalten kann. Der Grund: der hohe Ölpreis und der Emissionshandel.

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