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Ein Windrad dreht sich vor den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerkes in Jänschwalde.

© Patrick Pleul/ZB

UN-Klimakonferenz: "Klimaschutz sichert den Wohlstand"

Wissenschaftler appellieren an die Politik: Wer das Thema ernst nimmt, muss an den Verkehrssektor ran.

Die deutsche Politik ist viel zu mutlos, um entschlossen gegen den Klimawandel vorzugehen. Das ist die Einschätzung von deutschen Klimawissenschaftlern, die sich am Donnerstag in Berlin zur Klimapolitik positionierten. „Der Zug in die postfossile Welt hat sich längst in Bewegung gesetzt, und es liegt in Deutschlands eigenem Interesse, dabei eine Vorreiterrolle zu spielen“, schreiben die Wissenschaftler in einer Stellungnahme zur UN-Klimakonferenz in Bonn.

Eigentlich müsste der Kohleausstieg bei den Sondierungsgesprächen der Parteien zur Regierungsbildung kein Streitthema sein, geht es nach Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. „Ein Fahrplan für einen sozialverträglichen Kohleausstieg, der die Wirtschaft nicht gefährdet, liegt auf dem Tisch“, sagte er mit dem Hinweis auf ein Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen der Bundesregierung. Schellnhubers Botschaft: „Klimaschutz sichert langfristig den Wohlstand, weil er Arbeitsplätze schafft und die Wettbewerbsfähigkeit verbessert.“

Warum ist es trotzdem so schwierig, die Emissionen zu senken? „Wenn man Klimapolitik ernst nimmt, muss man an den Verkehrssektor ran. Da geht es um Wählerstimmen und heilige Kühe“, sagte Gernot Klepper vom Institut für Weltwirtschaft Kiel. „Wollen Sie einem deutschen Autofahrer seine 300 PS wegnehmen?“, fragte er rhetorisch.

Andererseits wollen 58 Prozent der Deutschen, dass das Land beim Klimaschutz international vorangeht, ergab eine Umfrage von Inratest Dimap. Auch die Wirtschaft fordert Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Klimaschutztechnologien, etwa der Verband der Maschinenbauer VDMA. Und die großen Stromerzeuger Eon und EnBW wollen einen CO2-Preis von 30 Euro pro Tonne – zurzeit liegt er bei rund acht Euro. Auch die Klimaforscher fordern einen Preis auf Kohlendioxid. Mit solchen Rahmenbedingungen würden die Konsumenten und der Markt den Umschwung schaffen, sagte Schellnhuber.

Klimawandel als Fluchtursache

Klimaschutz ist nach Ansicht der Forscher ein Instrument, um auch die Fluchtursachen auf der Welt zu bekämpfen. Das Thema habe die deutsche Öffentlichkeit viel mehr beschäftigt als der Klimawandel, hänge aber eng mit ihm zusammen. So war eine langjährige Dürre in Syrien der Grund für eine massive Landflucht und Nährboden für die Proteste gegen Baschar al Assad, wie eine Studie der Universität von Kalifornien zeigte.

Um den Klimaflüchtlingen zu helfen, fordert Schellnhuber einen Planetenpass nach dem Vorbild des Nansen-Passes. Er wurde vom Völkerbund für die staatenlos gewordenen Flüchtlinge eingeführt, die Russland nach der Oktoberrevolution verlassen hatten. „Kommendes Jahr werden 600.000 Arbeitsplätze in Deutschland neu entstehen“, zitierte Schellnhuber Zahlen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. „Wenn nicht Deutschland etwas tut, wer denn sonst?“, fragt er. Nun aber müsse die deutsche Politik zumindest versuchen, die Klimaziele für 2020 noch zu erreichen, um Vertrauen zu erhalten: „Das ist wichtig für unternehmerische Entscheidungen“, sagte Klepper.

Derweil hat es bei den Jamaika-Verhandlungen Bewegung in der Verkehrspolitik gegeben. Union, FDP und Grüne verständigten sich darauf, dass die Mittel für Straßen des Bundes, Schienen und Wasserwege mindestens auf dem Niveau der vergangenen Jahre bleiben müssten, wie Teilnehmer Reuters sagten. Zudem solle der öffentliche Nahverkehr gestärkt und das Geld für die Kommunen bis Ende der Wahlperiode verdoppelt werden. Zuletzt gab der Bund rund 350 Millionen Euro.

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