zum Hauptinhalt

UN-Konferenz: Der lange Kampf ums Klima

Bei der UN-Konferenz auf Bali werden die Interessengegensätze wieder aufeinanderprallen. Trotzdem soll es am Ende einen Kompromiss geben, der die Folgen der Erderwärmung begrenzen hilft. Ein Überblick.

Nachdem die Wissenschaftler des Weltklimarats (IPCC) in diesem Jahr ihren vierten Sachstandsbericht vorgelegt haben, sind nun die Politiker dran. Am Montag beginnt der 13. UN-Klimagipfel auf Bali. Dort muss die Politik beweisen, dass sie die Mahnungen der Wissenschaft verstanden hat. Die Quintessenz des IPCC-Reports über den Stand der Klimaforschung: Es bleiben nur zehn bis 20 Jahre, um die Weichen so zu stellen, dass der Klimawandel auf noch beherrschbarem Niveau gehalten werden kann.

Auf Bali beginnen die Verhandlungen über ein Folgeabkommen für das Kyoto- Protokoll, das 2012 ausläuft. Es wird darum gehen, um wie viel und in welchem Tempo die Industrienationen bereit sind, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Aber auch die Schwellenländer sollen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Und die am meisten von den Folgen des Klimawandels betroffenen Entwicklungsländer hoffen auf Hilfszusagen, um sich besser daran anzupassen. Ein wichtiges Thema wird eine Waldinitiative sein, mit der die Zerstörung vor allem der tropischen Regenwälder aufgehalten werden kann.

Bisher liegt nur ein ausgearbeiteter Vorschlag für ein Kyoto-Folgeabkommen auf dem Tisch: Er wurde von einer Gruppe von Experten und früheren Staatschefs erarbeitet, zu der die beiden UN-Sonderbotschafter für das Klima, Ricardo Lagos und Gro Harlem Brundtland, gehören. Neben dem früheren chilenischen Präsidenten und der früheren norwegischen Regierungschefin gehören auch Klaus Töpfer, der ehemalige Chef des UN-Umweltprogramms (Unep), die Friedensnobelpreisträgerin von 2004, Wangari Maathai aus Kenia, und der frühere Weltbankpräsident James Wolfensohn dazu. Insgesamt ist es eine Gruppe von 24 Persönlichkeiten, die sich unter dem Namen Globale Führerschaft für Klimaschutz (GLCA) zusammengetan hat.

Der Vorschlag umfasst vier Themen: Reduktionsziele für die Treibhausgasemissionen samt Zeitplänen und marktorientierten Instrumenten, um sie zu erreichen. Anpassung an den Klimawandel. Technologische Entwicklung und Zusammenarbeit, um Techniken zur effizienten Energienutzung und erneuerbare Energien weltweit einzusetzen, und Finanzen. Der GLCA- Vorschlag enthält Reduktionsverpflichtungen für die Industrienationen von mindestens 30 Prozent bis 2020 vor. Zudem sollen sie sich verpflichten, ihre Energieeffizienz jährlich um vier Prozent zu erhöhen. Entwicklungsländer sollten ebenfalls Effizienzziele akzeptieren. Zudem schlägt die Gruppe vor, auch Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien zu vereinbaren. Um die Entwaldung zu stoppen, will sie auch die Aufforstung und Erhaltung von Wäldern und damit das Speichern von Kohlendioxid (CO2) in ein neues Klimaabkommen aufnehmen. Sie sprechen sich für ein weltweites Emissionshandelssystem aus, um möglichst kostengünstig Treibhausgase zu vermeiden.

Die GLCA fordert substanzielle Mittel zur Anpassung, die als Beitrag zur Armutsbekämpfung verstanden werden sollen. Zudem sollen Zentren zur Anpassung der Landwirtschaft gebildet werden. Damit die notwendigen Techniken zur Verfügung stehen, sollten die Forschungsausgaben drastisch erhöht werden. Zudem fordern sie einen schrankenlosen Technologietransfer vor allem in die sich schnell entwickelnden Schwellenländer, um deren Wachstum klimafreundlicher zu machen. Um die Anpassung an den Klimawandel, das Ende der Entwaldung und ein klimafreundliches Wachstum in den Entwicklungsländern zu finanzieren, fordert die Gruppe einen Klima- Fonds von anfangs zehn Milliarden Dollar, der auf 50 Milliarden Dollar jährlich wachsen soll. Dieses Geld soll zusätzlich zu bestehenden Finanzquellen aufgebracht werden.

Der Vorschlag wird auf nicht viel Begeisterung stoßen. Dabei muss in Kopenhagen, wo 2009 das Nachfolgeprotokoll für Kyoto unterzeichnet werden soll, etwas Ähnliches auf dem Tisch liegen, wenn die globale Erwärmung auf einem Niveau von etwa zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung (1850) gehalten werden soll. Die Interessengegensätze auf Bali sind groß:

Die Europäer – als Weltretter

raus aus der eigenen Krise

Die Europäische Union ist am weitesten vorgeprescht. Mit ihrem Beschluss, ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 20 Prozent zu senken, und, wenn andere Industrienationen mitziehen, sogar um 30 Prozent, zudem die Energieeffizienz um 20 Prozent zu verbessern und den Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent zu erhöhen, ist sie in Vorleistung gegangen. Die Europäer waren schon immer die treibende Kraft bei Klimaverhandlungen. Die EU will einen Erfolg auf Bali. Für sie ist die Klimafrage eine Chance, sich mit nunmehr 27 Mitgliedsstaaten neu zu erfinden. Nachdem die europäische Verfassung gescheitert war, schlitterte die EU in eine tiefe Identitätskrise. Mit dem Klimathema hat sie allerbeste Chancen, sich als handlungsfähiger Staatenblock zu beweisen. Allerdings hat die EU dabei schwierige Aufgaben vor sich. Sie muss eine interne Lastenteilung finden. Bisher haben nur Deutschland und Großbritannien Bereitschaft gezeigt, anspruchsvolle Zielvorgaben zu akzeptieren.

Die USA – viel guter Wille,

aber ein Präsident, der nicht will

Präsident George W. Bush hat 2001 den Ausstieg seines Landes aus dem Kyoto-Protokoll verkündet. Seither hat er seine Position zwar verändert, aber ein Anhänger verbindlicher Reduktionsverpflichtungen für Industrienationen ist er nach wie vor nicht. Allerdings hat sich inzwischen einiges verändert. Auch Bush kann das Klimathema nicht mehr ignorieren. Das Weiße Haus hat inzwischen anerkannt, dass der Klimawandel tatsächlich stattfindet und menschengemacht ist. Sämtliche Regierungsberater fordern inzwischen eine seriöse Klimapolitik von ihrer Regierung. Die Naturschutzbehörde denkt ernsthaft darüber nach, Eisbären auf die rote Liste gefährdeter Tierarten zu setzen – mit der Begründung, ihr Lebensraum schmelze durch den Klimawandel weg. Noch wichtiger ist aber, dass die amerikanische Wirtschaft Regulierung von ihrer Regierung fordert. Auch die US-Industrie glaubt nicht mehr, dass sie um Klimavorgaben herumkommen wird und möchte lieber gleich wissen, was sie erwartet. Zudem ärgert es insbesondere die Finanzbranche, dass sie am Geschäft mit Emissionszertifikaten nicht beteiligt ist. Die Wirtschaft ist sehr interessiert an einem Emissionshandel, der über einzelne Bundesstaaten hinausgeht. Auch die Staaten machen Druck, allen voran der republikanische Gouverneur von Kalifornien, Arnold Schwarzenegger. Aber auch die Neuenglandstaaten im Osten und die nordwestlichen Bundesstaaten haben sich zum Teil anspruchsvolle Klimaziele gesetzt. Dasselbe gilt für die Großstädte, aber auch kleinere Kommunen. Und vor allem: Das Klimathema war bei den Kongresswahlen im November 2006 eines der wahlentscheidenden Themen. Al Gore gewann mit seinem Klimavortrag als Film einen Oscar und schließlich – zusammen mit dem Klimarat – auch noch den Friedensnobelpreis.

Klimaschutz ist ein hippes Thema für Hollywood-Größen geworden. Bush ist bekannt dafür, nahezu jede Klimainitiative zunächst einmal auszubremsen. Wie sehr die Regierung sich unter Druck fühlt, zeigte die Einladung der größten Treibhausgasproduzenten im September nach Washington. Dort wurde Bush vom Gastgeber zum Angeklagten: Sämtliche Teilnehmer machten klar, dass sie keine unverbindlichen Klimaschutzziele wollen. Inzwischen versucht die Regierung sogar, die Erfolge der Bundesstaaten, der Wirtschaft und der Städte für sich zu reklamieren. Vor wenigen Tagen meldete sie, dass der Ausstoß an Treibhausgasen 2006 um 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen sei. An der Politik der Regierung Bush kann es kaum gelegen haben.

Das Ziel der Europäer ist es, die USA trotz dieser schwierigen Ausgangslage möglichst lange im Boot zu halten. Ein Beschluss muss so formuliert sein, dass er konkret genug ist, um ernst genommen zu werden, aber auch offen genug, um die USA nicht bereits in der ersten Verhandlungsrunde wieder in die Schmollecke zu stellen. Auch nach dem Ende der Ära Bush wird ein Nachfolger mindestens ein Jahr im Amt brauchen, bevor er oder sie so einen weitreichenden Entschluss wie die Ratifizierung eines Kyoto-Folgeabkommens auf seine Tagesordnung setzen wird. Springen die USA gleich zu Beginn wieder ab, ist es nahezu unmöglich, die Schwellenländer wie China davon zu überzeugen, dass auch sie längerfristig über eine Begrenzung ihrer Emissionen verhandeln müssen.

Entwicklungsländer –

die Wut der Ersten, die es trifft

Die kleinen Inselstaaten im Pazifik und viele Staaten Afrikas und Asiens werden die Hauptleidtragenden des Klimawandels sein, obwohl sie den geringsten Anteil daran haben. Ihr Interesse liegt vor allem auf einer Vereinbarung, die ihnen bei der Anpassung an den Klimawandel hilft – und ihre Entwicklungsinteressen nicht behindert. Viele dieser Staaten sehen das Klimaproblem als eine neue Ausformung des Kolonialismus, weil die Industrienationen die Atmosphäre als Mülleimer für ihre Entwicklung genutzt haben und nun für sie nichts mehr übrig zu bleiben droht. Wenn es den Industrieländern nicht gelingt, zu beweisen, dass Wachstum auch möglich ist, ohne das Klima zu ruinieren, werden diese Staaten sich einem eigenen Beitrag zum Klimaschutz dauerhaft verweigern. Das Risiko für die Verhandlungen ist, dass selbst die Staaten, die ein existenzielles Interesse an einem starken Klimaabkommen haben, die Position Chinas und Indiens stützen werden, keine verbindlichen Verpflichtungen zu übernehmen. China verhandelt bei Klimakonferenzen noch immer im Schutz der Gruppe 77. Die G 77 sind sämtliche Entwicklungsländer. In der Gruppe verstecken sich aber auch Erdölländer wie Saudi-Arabien.

Schwellenländer –

Täter und Opfer zugleich

Chinas Staatschef Hu Jintao spricht sich vehement für anspruchsvolle Reduktionsverpflichtungen der Industrienationen aus. Darin wird er von Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika unterstützt. Die Industrieländer hätten das Ganze angerichtet, nun sollten sie auch sehen, wie die Welt da wieder rauskommt. So lässt sich die Position auf einen Nenner bringen. Allerdings ist selbst die chinesische Position nur bei offiziellen Anlässen so kategorisch. Wenn es Hilfe bei der Einführung von Effizienztechnologien und erneuerbaren Energien bekommt, ist China durchaus bereit, über eine Stabilisierung der eigenen Emissionen nachzudenken. Tatsächlich gibt es schon eine Vielzahl konkreter Beschlüsse, die dazu beitragen sollen. Aber China will sich – noch – nicht zu irgendetwas verpflichtet sehen. Diese Position vertritt Indien noch etwas entschlossener. Brasilien wiederum hat großes Interesse, dass dem Land über eine Waldinitiative Geld für den Schutz des Amazonas-Regenwalds zufließt und es seine Biosprit- Technologie weltweit vermarkten kann. Mexiko hat bereits angedeutet, unter Umständen doch zu verbindlichen Zusagen zur Erhöhung der Energieeffizienz bereit zu sein. Das sieht offenbar auch Südafrika ähnlich.

Alle diese Länder sind gleichzeitig Opfer und Täter des Klimawandels. Chinas und Indiens Trinkwasserversorgung ist ernsthaft gefährdet, wenn die Gletscher im Himalaya weiter im derzeitigen Tempo schmelzen. Mexiko wird immer öfter Opfer von katastrophalen Tropenstürmen, Überschwemmungen und Landrutschen. Das Amazonas-Becken in Brasilien droht auszutrocknen, wenn die Erderwärmung nicht gebremst werden kann. Einen Vorgeschmack darauf hat es vor wenigen Jahren gegeben, als Bilder von der Dürre am Amazonas um die ganze Welt gingen. Südafrika wiederum hat ein erhöhtes Risiko für Dürren und muss damit rechnen, dass es 30 bis 40 Prozent seiner Tier- und Pflanzenarten verliert.

Andere Industrieländer –

wenig Lust auf neue Pflichten

Australien hat angekündigt, nun doch noch das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren. Damit stehen die USA nunmehr ganz allein als Blockierer da. Das Thema hat die Parlamentswahl diesen Monat mitentschieden. Wie der neue australische Premier Kevin Rudd in die Verhandlungen gehen wird, ist schwer abzusehen; er wird aber ein Kyoto- Folgeabkommen aktiv unterstützen. Das gilt im Prinzip auch für den Nachbarn Neuseeland, der sich viel auf seine Klimastrategie zugute hält, sich freilich nicht auf große Reduktionsverpflichtungen einlassen will. Zumindest sagte Premierministerin Helen Clark, man müsse „die großen Landwirtschaftsnationen etwas anders behandeln, schließlich muss die Welt ernährt werden“. Kanada schließlich ist so weit von seinem Kyoto-Ziel entfernt, dass die konservative Regierung einiges tun wird, um nicht auf ein neues, noch anspruchsvolleres Ziel festgelegt zu werden. Allen gemein ist, dass sie sich nur dann neu verpflichten wollen, wenn auch China und Indien ihre Emissionen begrenzen. Das ist eine Forderung, die die USA schon beim Kyoto-Protokoll gestellt haben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false