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Politik: UN-Konferenz gegen Kleinwaffen: Krieg der Kinder

Still liegt die kleine Stadt Masiaka in der Hitze. Schattenlos und fahl ist das Licht.

Still liegt die kleine Stadt Masiaka in der Hitze. Schattenlos und fahl ist das Licht. Rotbrauner Staub wirbelt auf, wenn die Jeeps den kleinen Ort an der Straße durchqueren und legt sich auf die Treppen, Mauern und Balkone, die früher eine Stadt waren. Abdul Maligi Bangura ist mit seiner Familie vor kurzem aus dem Busch zurückgekehrt. Jetzt leben sie zwischen den Mauern, die von ihrem Haus noch übrig sind. Abdul ist 15 Jahre alt. Er spricht leise, sein Gesicht ist angespannt. Noch immer vermeidet er laute und überflüssige Bewegungen. Mit seinem Vater hat Abdul zwei Jahre lang im Bürgerkrieg in Sierra Leone gegen die Rebellen der RUF (Revolutionary United Front) gekämpft. "Sie kamen in der Regenzeit, an einem Dienstag", erzählt Abdul. "Wir wollten unser Haus verteidigen." Die Rebellen kamen mit Gewehren. Und sie kamen immer wieder. Schließlich schlossen wir uns der Bürgerwehr an und kämpften mit ihnen gegen die Rebellen.

Irgendwann stand plötzlich ein Kind vor mir, wir haben uns nur angestarrt", erzählt Abdul. Auf die Frage, ob er Rebellen getötet hat, nickt Abdul nur ganz leicht. "Es waren unsere Feinde", sagt er. Jetzt, nach zehn Jahren Bürgerkrieg liegt das kleine westafrikanische Land am Boden. Zerstört durch einen Krieg um Diamanten, in dem auf beiden Seiten ein Viertel aller Kämpfer Kindersoldaten waren. Charles Taylor, Präsident des Nachbarlandes Liberia hat es geschafft, die Rebellen der RUF gegen die Bevölkerung aufzuhetzen, sie aus den Regionen zu vertreiben, in denen es Diamanten gibt. Damit hat er seine Waffenkäufe finanziert, die dem Diktator jahrelang die Macht im eigenen Lande gesichert haben. Oft tauscht er ganze Diamanten-Minen gegen Kampfhubschrauber.

In dem zehnjährigen Bürgerkrieg sind bis heute 200 000 Menschen umgekommen, 1,5 Millionen sind auf der Flucht. Nun herrscht ein brüchiger Frieden. Taylor wurde in diesem Frühjahr von den Vereinten Nationen mit Sanktionen belegt. Er darf keine Diamanten und Bodenschätze ausführen. Doch das ist schwer zu kontrollieren.

Sierra Leone ist nicht das einzige Land Afrikas, in dem ein skrupelloser Waffenhandel bestialische Kriege ermöglicht. Vor allem Rußland und die Ukraine verkaufen auf dem Kontinent Kalaschnikows, Munition, leichte Handfeuerwaffen, Granaten. Im Fall von Sierra Leone laufen die Geschäfte über Libyen und von dort aus weiter über die Nachbarländer von Sierra Leone. Der Ost-West-Konflikt ist in Afrika noch immer gegenwärtig. Rußland, China und die USA haben Regierungen und Rebellen, die sie unterstützen, massiv aufgerüstet für die Guerillakriege. Und die werden nicht mit technisch aufwändigem oder gar modernem Gerät geführt. Hier kommen Waffen zum Einsatz, die die verharmlosende Bezeichnung Kleinwaffen tragen. Es sind Handfeuerwaffen, und die landen nicht nur in Sierra Leone sehr oft in den Händen von Kindersoldaten. In New York sucht nun erstmals eine UN-Konferenz nach Möglichkeiten, den Handel mit solchen Waffen zu bekämpfen.

Auch in Kongo, Afghanistan oder Birma werden Kinder in den Krieg geschickt. Weltweit kämpfen mehr als 300 000 Minderjährige als Soldaten. Ihre Waffen sind meist veraltet und werden immer wieder recycelt. Oft tauchen sie, wenn ein Krieg, wie jetzt in Sierra Leone beendet ist, in anderen Krisengebieten wieder auf. Mehr als 500 Millionen Kleinwaffen sollen weltweit im Umlauf sein. Gerade die Abrüstung in Europa hat dazu geführt, dass Afrika mit Waffen überschwemmt wird. Länder wie Angola, Somalia, und Westafrika sind zentrale Absatzgebiete für die Waffenlieferanten, zu denen auch Deutschland und die USA gehören.

Da Handel mit Kleinwaffen nicht verboten ist, kommen die Pistolen, Revolver und Kalaschnikows legal ins Land. In Sierra Leone hat der ständige Nachschub an Waffen dazu geführt, dass der Konflikt zehn Jahre lang immer wieder aufflammen konnte. Russland hat an den Waffen verdient und die Internationale Gemeinschaft zahlt für den Wiederaufbau. Dem 15-jährigen Abdul Maligi Bangura und vielen seiner Altersgenossen kann jedoch niemand ihre gestohlene Kindheit zurückgeben.

Susanne Tenhagen

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