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Auf die Städte kommt es an. Hier Busan, Südkorea.

© dpa

UN-Siedlungskonferenz Habitat III: Starke Städte verändern die Rolle des Nationalstaats

Eine "neue urbane Agenda" soll Städte gegenüber nationalen Regierungen stärken. Das ist richtig. Und sie sollten auch international mehr zu sagen haben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Dagmar Dehmer

Städte sollen lebenswerter werden. Das ist die Essenz der „neuen urbanen Agenda“, die für die kommenden 20 Jahre die Stadtentwicklung in aller Welt leiten soll. Mit dem Gipfel Habitat III hat das UN-Weltsiedlungsprogramm seine Funktion als Bauherr günstiger Einfachhäuser endgültig abgelegt. Im Beschluss von Quito geht es um nahezu alle Themen, die das Wohlbefinden von Stadtbewohnern betreffen: Sicherheit vor Kriminalität oder der Gewalt kriegerischen Auseinandersetzungen; das Versprechen von öffentlichen Basisdienstleistungen wie der Wasser-, Sanitär-, der Strom- und Gesundheitsversorgung sowie der Abfallentsorgung. Es geht um ein Leben frei von Hunger und extremer Armut bis hin zu universellen Werten wie Gleichberechtigung von Frauen und dem Schutz der Natur in den Städten. Zudem geht es um die Minderung des gigantischen Energie- und Ressourcenverbrauchs der Städte. In der „neuen urbanen Agenda“ ist für jeden etwas dabei.

Dass die Urbanisierung und ihre Folgen, aber auch die Erreichung der 17 globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) und die Erfüllung des Pariser Klimaabkommens vor allem die Städte angeht, darüber herrscht inzwischen viel Einigkeit. Wenn es aber darum geht, welchen Stellenwert Städte und Gemeinden in den nationalen und internationalen Entscheidungsprozessen spielen, ist es mit der Einigkeit schnell vorbei.

Beim Weltsiedlungsgipfel in Quito sind insbesondere die Großstädte selbstbewusst aufgetreten – sie durften am Ende aber doch nicht mitentscheiden. Dieses Privileg haben weiterhin die Regierungen allein. Deshalb war es in den Debatten in Quito ein großes Thema, wie die Kommunen auch international besser in Entscheidungsprozesse eingebunden werden können. Drei Großstadtbürgermeisterinnen – aus Barcelona, Madrid, Paris – haben radikal 25 Prozent des nationalen Budgets für die Stadtkassen und Zugang zu internationalen Fördermitteln verlangt.

Bürgermeister als Befehlsempfänger nationaler Regierungen

Die Städte sehen sich selbst als pragmatische Problemlöser, denen es dennoch oft am Geld mangelt, um ihre Vorstellungen vom guten Leben in der Stadt umsetzen zu können. Und kaum ein Redner bei Habitat III kam ohne die Beschwörungsformel aus, dass in den Städten in Sachen SDGs und Klimapolitik die Musik spielt. Und trotzdem erleben viele Bürgermeister in aller Welt, dass sie von ihren nationalen Regierungen als einfache Befehlsempfänger missverstanden werden.

Wenn die neue urbane Agenda dazu beitragen soll, die Klimaziele und die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, müssen die Städte auch international mehr zu sagen haben. Denkbar wäre eine Berufung von jeweils regional gewählten städtischen Repräsentanten in die Entscheidungsgremien der Vereinten Nationen. Die Städte müssen etwas zu sagen haben, wenn es um ihre Aufgaben geht. Genauso wie die Städte ihren Bürgern mehr Beteiligungsmöglichkeiten geben müssen, wenn sie wollen, dass die Bürger vieles auch einfach selbst in die Hand nehmen. Habitat III hat die Bürgermeister zwei Jahre lang intensiv in die Vorbereitung des Gipfels einbezogen, und auch im Abschlussdokument findet sich die Handschrift vieler aktiver Städte. Dennoch waren sie bei der Beschlussfassung ausgesperrt. Das ist für die Lösung der anstehenden Aufgaben nicht mehr zeitgemäß.

Das wirft aber auch fundamentale Fragen für die Staaten auf. Der Nationalstaat wird Kompetenzen nach oben auf die internationale Ebene abgeben müssen, um die Folgen der Globalisierung – eine der Begleiterscheinungen ist die Verstädterung – zu bewältigen. Sie müssen aber auch Kompetenzen nach unten in die Regional- und Kommunalregierungen abgeben. Denn dort wird die Politik umgesetzt. Die Bürgermeister sind nah dran an den Bürgern und in der Lage, Trends schneller zu erkennen und Probleme pragmatischer zu lösen. Sie brauchen mehr auch internationale Beteiligungsmöglichkeiten. Denn nur dann sind sie darauf vorbereitet, ihre Aufgaben auch in schlechten Zeiten zu erfüllen. Dann, wenn Kriegsflüchtlinge vor der Haustür stehen, wenn eine Epidemie wie Ebola zum globalen Risiko werden könnte oder wenn eine Naturkatastrophe die Existenz ganzer Siedlungen infrage stellt. Die Diskussion darüber, wie Städte an Entscheidungen besser beteiligt werden können, ist nach dem Gipfel von Quito eröffnet. Gute Ideen bitte an den künftigen Generalsekretär der UN, Antonio Guterres, schicken.

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