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Politik: UN-Truppen: Der überparteiliche Weltpolizist hat ausgedient

Lakhdar Brahimi, zuvor algerischer Außenminister, begleitete Anfang der neunziger Jahre in Südafrika das Ende der Apartheid. Sein Arbeitgeber waren die Vereinten Nationen.

Lakhdar Brahimi, zuvor algerischer Außenminister, begleitete Anfang der neunziger Jahre in Südafrika das Ende der Apartheid. Sein Arbeitgeber waren die Vereinten Nationen. Als er 1993 an deren Sitz nach New York zurückkehrte, bekam Brahimi eine neue Mission auf den Schreibtisch. Er sollte sich um den damals gerade ausgebrochenen Konflikt in Jemen kümmern. "Ich habe mich erkundigt, was wir über Jemen haben", erinnert sich Brahimi. "Die Antwort lautete: Nichts!"

Kriseneinsätze der UN werden seit Jahren als zögerlich, schlecht vorbereitet, unterfinanziert und improvisiert kritisiert. Am Mittwoch nun hat Lakhdar Brahimi den Bericht einer internationalen Expertenkommission vorgelegt, die sich mit der Verbesserung der Effizienz von Friedensmissionen beschäftigt. Brahimi war ihr Vorsitzender; ihm zur Seite stand auch der deutsche Ex-Nato-General Klaus Naumann.

"Es gibt viele Aufgaben, die den friedenserhaltenden Truppen der UN nicht zugemutet werden sollten, und viele Orte, wo sie nicht hingehören", steht in dem Bericht. "Aber wenn die Vereinten Nationen ihre Kräfte mobilisieren, um Frieden zu bewahren, müssen sie in der Lage sein, Kriegstreibern mit der Fähigkeit und der Entschlossenheit gegenüberzutreten, sie zu besiegen."

UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die Empfehlungen begrüßt. Lob kam auch vom amerikanischen UN-Botschafter Richard Holbrooke. "Wir stimmen nicht in jedem Punkt überein, aber grundsätzlich ist dies ein großer Schritt vorwärts", meinte Holbrooke. Er muss der UN indes gerade klarmachen, dass aus Washington nicht mehr Geld und Personal kommen wird, sondern weniger - so hat es der Kongress beschlossen.

Etliche der Ratschläge laufen auf eine Stärkung und Emanzipation der UN hinaus - wogegen sich traditionell viel Widerstand in den USA regt. Die Brahimi-Kommission regt an, die Blauhelm-Verwaltung zu vergrößern, zu professionalisieren und mit eigenen militärisch-politischen Planungsstäben auszustatten.

Sinn dieser Stärkung der eigenen Kapazitäten soll es sein, in Konflikten nicht mehr aus diplomatischer Rücksichtnahme oder aus Unkenntnis der Lage heraus sklavisch am Modell der Überparteilichkeit festzuhalten. Brahimi und seine Koautoren stellen sich eine Blauhelm-Organisation innerhalb der UN vor, die weiß, wer die Bösen sind, und dies nicht nur sagen darf, sondern auch entsprechend handeln kann.

Bei der Krisen-Vorsorge schlagen die von Annan beauftragten Autoren vor, Prävention nicht mehr von einem Votum des Sicherheitsrates abhängig zu machen. So soll die Macht der ständigen Sicherheitsratsmitglieder Großbritannien, Frankreich, Russland, USA und China geschmälert werden. Die "Großen Fünf" wie auch die Mitglieder der UN-Vollversammlung oder jene Staaten, die die größten Kontingente für Blauhelm-Missionen bereitstellen, sollen auch daran gehindert werden, weiterhin in einer Art Mikro-Management die Umsetzung von Missionen zu steuern. Ein weiterer Vorschlag betrifft die Zeitschiene, mittels derer über Einsätze entschieden wird. In dem Papier wird gefordert, der UN genügend Sach- und Personalmittel zur Verfügung zu stellen, damit die Weltorganisation innerhalb von 30 Tagen eine Rumpf-Mission entsenden kann. Bislang dauert dies ein gutes halbes Jahr.

Der Bericht reagiert auf jahrelange Selbstkritik Annans, was einige der letzten UN-Missionen angeht. Im Falle des Völkermordes in Ruanda 1994 hatte Washington die Entsendung einer wirksamen Blauhelm-Mission verhindert. In Bosnien sahen die UN-Truppen hilflos zu, wie ihre Schutzzonen für die Bevölkerung überrannt wurden. In Somalia nahmen die USA den New Yorkern das Heft aus der Hand und ließen die Mission kollabieren, nachdem es US-Opfer gab. Im Kosovo wurde die Nato ohne klares UN-Mandat aktiv. Am ehesten analog zu Annans Idealvorstellungen verlief noch der Einsatz in Ost-Timor. Das aktuelle abschreckende Beispiel kommt aus Sierra Leone, wo Annan nach der Geiselnahme von mehreren hundert schlecht vorbereiteten Blauhelm-Soldaten um Hilfe betteln musste, bis ihm schließlich London mit Personal und Technik zur Seite sprang.

Das Papier der Brahimi-Kommission soll diskutiert werden, wenn Anfang September Staats- und Regierungschefs aus aller Welt zum "Millenniums-Gipfel" nach New York kommen. Annan hatte die Debatte über Friedensmissionen und die Rolle des Völkerrechts vergangenes Jahr neu entfacht, als er vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen gesagt hatte, internationale Grenzen sollten immer dann nicht unverletzlich sein, wenn Regierungen in massiver Weise die Rechte ihrer Bevölkerung verletzten.

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