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Politik: Unabhängigkeit für Montenegro: Djukanovic: Jugoslawien gibt es nicht mehr

Genug ist genug: nie mehr unter der Regie Belgrads. Montenegros Präsident Milo Djukanovic kann sich mit der orthopädischen Halskrause kaum rühren, aber beim Thema Unabhängigkeit für sein Land rückt er energisch vor auf die Stuhlkante.

Genug ist genug: nie mehr unter der Regie Belgrads. Montenegros Präsident Milo Djukanovic kann sich mit der orthopädischen Halskrause kaum rühren, aber beim Thema Unabhängigkeit für sein Land rückt er energisch vor auf die Stuhlkante. Nein, der Verbleib in Jugoslawien (Serbien und Montenegro) sei mit ihm und seinen 620 000 Landsleuten nicht zu machen. Zusammenarbeit mit Belgrad ja, aber nur als gleichberechtigte, unabhängige Staaten. Und natürlich, auch daran lässt er keine Zweifel, will er die staatliche Souveränität über ein Referendum erreichen. Das weckt Misstrauen auf dem krisengeschüttelten Balkan wie in der internationalen Gemeinschaft, die der Region mit dem Stabilitätspakt und den De-facto-Protektoraten Bosnien und Kosovo in nie da gewesener Form Assistenz und Schutz bietet. In Berlin stand Djukanovic deshalb der Parlamentarischen Versammlung der Nato Rede und Antwort. Letzte Zweifel konnte er nicht ausräumen, was zunächst daran liegt, dass sein angekündigtes Unabhängigkeits-Referendum vielerorts als Drohung ankommt.

Im Gespräch mit dem Tagesspiegel wies Präsident Djukanovic diese Vermutung weit von sich. "Nein, das Referendum ist keine Drohung. Wir können niemandem drohen. Wir wollen nur nicht, dass Montenegro als Geisel genommen wird, bis die Entscheidung über den abschließenden Status für Kosovo gefallen ist." Zwar sei es notwendig, an einer endgültigen konstitutionellen Lösung für die UN-verwaltete und mehrheitlich von Albanern bewohnte serbische Provinz zu arbeiten. "Aber es ist nicht gut, zu viele Probleme in einem Knoten zu verknüpfen, weil sonst kein Problem tatsächlich gelöst wird", so Djukanovic. Über den Status Montenegros müsse zügig und unabhängig von Kosovo beraten werden. "Kosovo muss warten, und die internationale Gemeinschaft wird dort noch lange Jahre bleiben müssen." Ohne den Schutz durch Kfor-Friedenstruppen könnten die nicht-albanischen Vertriebenen nicht ins Kosovo heimkehren. Darüber hinaus müsse die internationale Gemeinschaft eine Basis schaffen, bis zwischen Kosovo und Belgrad "politischer Frieden" entstehe. Erst danach könne der Status der Provinz geklärt werden - "alles andere ist unrealistisch und nicht korrekt", meint Djukanovic.

Montenegro dagegen sei überzeugt von der Notwendigkeit wirtschaftlicher und demokratischer Reformen. Ohne eine klare Definition seiner Rechte und Institutionen, so der Präsident, sei der Demokratisierungsprozess aber zum Scheitern verurteilt. Internationale Kritik an seinem Ziel nennt Djukanovic "mehr oder weniger stereotyp". Einige machten es sich einfach, zu behaupten: Es gibt Jugoslawien, und deshalb ist der Vorschlag Montenegros sezessionistisch. Milo Djukanovic: "Das wäre in der Tat so, wenn es Jugoslawien tatsächlich gäbe. Aber es existiert nicht. Es gibt Serbien und Montenegro. Also verschließt die Augen nicht vor der Wirklichkeit. Verlängert nicht jenes Provisorium, das Milosevic 1992 geschaffen hat. Bestätigt, was existiert: zwei getrennt voneinander funktionierende Staaten."

Zum dritten Mal in drei Jahren hat Djukanovic Belgrad jetzt angeboten, das Verhältnis der Staaten zu klären. Sein jüngster Vorschlag: Ein Unabhängigkeitsreferendum in Serbien wie in Montenegro, dann eine nationale Kommission beider Staaten, die über die gemeinsamen Institutionen entscheidet - Streitkräfte, eine konvertierbare Währung und ein gemeinsamer diplomatischer Dienst. Djukanovic: "Mein Vorschlag läuft also nicht auf eine vollständige Trennung hinaus."

Claudia Lepping

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