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"Und erlöse uns von allen Üblen" #26: Der Mörder freut sich

Die Polizei will die Reporterin Andrea Hofwieser sprechen. Der Mörder und sein Helfer fühlen sich sicher. Ein Fortsetzungsroman, Teil 26.

Was bisher geschah: Während die Polizei allmählich erste Anhaltspunkte im Mordfall Freypen entdeckt, bereitet der Täter seine Abreise vor.

In 100 Teilen bis zur Bundestagswahl 2017 erscheint der Politkrimi "Und erlöse uns von allen Üblen" online als Fortsetzungsroman im Tagesspiegel. Hier Folge 26 vom 11. Juli.

Susanne Hornstein kann nicht erklären, woher sie das ganz bestimmte Gefühl hat, dass die Schüsse aus Andrea Hofwiesers Fenster abgegeben worden sind und aus keinem anderen. Hat sicher mit den Fotos auf der Homepage und in der Zeitung zu tun, obwohl sie sich eingesteht, dass dies nicht unbedingt logisch ist. Nur dann, wenn die Reporterin etwas mit dem Mord zu tun haben sollte und das wiederum ist höchst unwahrscheinlich. Aber der Schusswinkel des Fotografen entspricht nun mal dem möglichen des Täters.

"Schaut euch mal auf dem Dach um", hatte sie sie ihre Leute angewiesen, "vielleicht entdeckt man bei Tageslicht doch etwas, was der mit dem Hubschrauber übersehen hat. Und erkundigt euch bei allen im Haus, nicht nur hier auf dem Flur, ob denen irgend etwas in der vergangenen Nacht aufgefallen ist oder in den letzten Tagen. Wahrscheinlich gibt es auch so etwas wie einen Hausmeister, also auch den befragen."

Jetzt steht sie vor Andrea Hofwiesers Tür, hat aber noch nicht geklingelt: "Das hier mache ich allein, mit Frauen kann ich ganz gut." Wird ein bisschen rot, als ihre Männer grinsen, worüber sie sich ärgert: "Ihr seid blöde Ferkel, ich weiß genau, was ihr denkt. Macht lieber eure Arbeit anständig, sonst wird euch das Grinsen vergehen." Wartet, bis die mit dem Fahrstuhl verschwunden sind. Dann grinst auch sie. Mit nicht immer ganz jugendfreien Anspielungen umzugehen hat sie gelernt. Vor allem, als sie begriffen hatte, dass die nicht böse gemeint oder gegen sie gerichtet waren, dass es jeden treffen konnte. Sogar Männer.

Nur am Anfang, als sie in ihre Position berufen wurde, hat es Schwierigkeiten gegeben, weil eine Frau Chefin einer so wichtigen Abteilung geworden war. Sind wir hier beim Fernsehen? , hatte einer gefragt. Spielt Maria Furtwängler die Kommissarin? Gibt es keine Männer unter uns, die den Job können? Aber nachdem sie in einem komplizierten Fall der Millionenerpressung eines Nahrungsmittelkonzerns durch vergiftete Senftuben beweisen konnte, warum sie mit einem so hohen Intelligenzquotienten gesegnet ist und wofür das gut ist, und nachdem sie beim alljährlichen Wettschießen des Bundeskriminalamtes den ersten Platz belegt hat, wurde sie akzeptiert. Inzwischen ist es sogar so, dass sie bei blöden Sprüchen aus anderen Abteilungen von ihren Männern verteidigt wird - und zwar voller Überzeugung. Sie drückt achtlos ihre Zigarette an der Lifttür aus, geht dann die paar Schritte zu Andrea Hofwiesers Tür und klingelt.

Der Mörder, der vierzehn, fünfzehn Stunden zuvor den gleichen Weg vom Fahrstuhl zur Wohnungstür zurückgelegt hat, nimmt gerade den Händedruck seines Begleiters entgegen, den er doch noch knapp am achtzehnten Loch besiegt hat. Ein Schlag weniger als der. Es ist kurz vor zwölf Uhr mittags und es wird Zeit, sich auf den Weg zu machen. Spätestens am nächsten Morgen wollen sie wieder in Den Haag in ihren Büros sein. Sie sind immer noch unter sich, aber drei, vier Löcher hinter ihnen drängen sich inzwischen beim Abschlag andere Golfspieler.

Keiner nimmt von ihnen Notiz, als sie auf den Parkplatz zurückkehren. Der Mercedes mit den französischen Kennzeichen fällt nicht weiter auf, denn man ist hier an Gäste aus anderen Ländern gewöhnt. "Ich fahre zuerst", sagt der Franzose, nachdem sie ihre Golfbags im Kofferraum verstaut haben, "du kannst mich dann später ablösen."

Das Haar seines Beifahrers ist wieder braun wie sonst, er trägt zum offenen blauen Hemd eine fast ebenso braune Leinenhose. "Hinten liegen ein paar Zeitungen von heute, schau doch mal, du etwas Spannendes entdeckst."

Sein Freund schnallt sich an und schaltet das Radio an. Nachrichten. Immer noch nichts Neues. Kein Wort von der Ringfahndung, aber beide wissen, dass die inzwischen aufgehoben ist. Falls sich in den ersten zwölf Stunden nach einem Verbrechen keiner im Netz verfängt, werden die Sperren wieder abgezogen. So war es immer bisher, warum sollte es heute anders sein. Als der Sprecher verkündet, das BKA habe im Fall Freypen die Ermittlungen übernommen, lächelt er: "Die werden uns wenigstens auf dem Laufenden halten."

Und morgen lesen Sie: Die Polizeireporterin gibt sich gelassen.

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