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Tagesspiegel-Kolumnist Helmut Schümann.

© Karikatur: Tagesspiegel

Und noch ein Vorsatz: Lob der Faulheit

Gibt es ein Menschenrecht auf Langeweile? Was für eine Frage. Sie hat etwas mit Sisyphos zu tun.

Kann es etwas Langweiligeres geben, als einen Stein immer wieder einen steilen Berg hinaufzurollen, damit er, kurz vor dem Gipfel, mit lautem Getöse wieder ins Tal rollt? Okay, sich immer wieder montags in Dresden oder anderswo zu treffen, um durch Absurdistan zu laufen, ist sicherlich noch langweiliger. Das ist so dermaßen langweilig, dass man schon kein Wort mehr darüber verlieren möchte. Mache ich auch vorläufig nicht mehr.

Aber die Sache mit dem Stein am Berg, die ist vielleicht gar nicht so langweilig. Man erreicht ja, wenn man so etwas macht wie einen Stein vergeblich einen Berg hinaufzurollen, das Ziel nie, es bleiben also noch Wünsche. Und wer wünscht, langweilt sich nicht. Albert Camus hatte also recht, als er feststellte, dass man sich Sisyphos, das ist der mit dem Stein am Berg, als glücklichen Menschen vorstellen müsse. Möglicherweise kommen diese Überlegungen jetzt ein wenig tiefschürfend daher und etwas stark ins Ontische lappend. Das hat Klaus Maria Brandauer ausgelöst. Der Schauspieler hat gerade zu Jahresbeginn, an dem das Leben noch ein wenig schleppend sich in Gang bringt, ein Menschenrecht auf Langeweile eingefordert. Weil Müßiggang und Langeweile keineswegs aller Laster Anfang seien. Man kann Sisyphos sicherlich nicht vorwerfen, müßig seine Tage verbracht zu haben. Aber tagaus, tagein, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr einen Stein auf steilem Steig herumzuschleppen, ist weder kreativ noch innovativ, ist nicht ökonomisch und schon gar nicht rentabel.

Müßiggang wird total unterschätzt. In heutigen Zeiten löst ja schon die Lektüre eines Buches ein schlechtes Gewissen aus, weil es unproduktiv ist. Und einfach nur mal dasitzen und aus dem Fenster schauen ist eine Tätigkeit, die selbst wenn die Sonne mal scheint, stangengerade in tiefste Depression führt. Oh, mein Gott, ich bin faul. Was soll bloß aus mir werden? Nichts tun, oder nichts Ertragreiches tun, ist verpönt. Aber dermaßen von verpönt. Was also tun?

Heute ist Mittwoch, das Wochenende noch weit. Aber dann, rauf auf den Berg, und wenn es nur der Teufelsberg ist, Steine rollen, oder daheim auf der Couch lümmeln. Der nächste Montag kommt früh genug. Man muss sich Klaus Maria Brandauer als glücklichen Menschen vorstellen.

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