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Politik: Unfall oder Anschlag?

Tsvangirai, der Widersacher Mugabes, hat bereits mehrere Mordversuche überlebt – deshalb wird auch jetzt heftig spekuliert

War es ein Anschlag oder ein normaler Verkehrsunfall? Seit dem späten Freitag brodelt in Simbabwe die Gerüchteküche. Fast alle Gespräche drehen sich dort seitdem um die Ursache des schweren Verkehrsunfalls, bei dem am Freitagnachmittag die Frau des simbabwischen Ministerpräsidenten Morgan Tsvangirai ums Leben kam und er selber offenbar nur leicht verletzt wurde. Augenzeugen berichteten, dass der langjährige Oppositionschef und Erzfeind von Diktator Robert Mugabe mit Schnittwunden und Prellungen davonkam – Kleinigkeiten im Vergleich zu den lebensgefährlichen Verletzungen, die ihm vermutlich Gefolgsleute Mugabes bei verschiedenen Mordanschlägen zugefügt haben.

Hochrangige Mitglieder von Tsvangirais Bewegung für einen Demokratischen Wandel (MDC) wollten sich an den Spekulationen nicht beteiligen, zumal sich das Unglück offenbar an einer unfallträchtigen Stelle rund 60 Kilometer südlich der Hauptstadt Harare ereignete. Eddie Cross, Wirtschaftsexperte der MDC, erklärte auf Anfrage, seine Partei habe widersprüchliche Angaben über den Unfallhergang erhalten. Allerdings werde man auf eine unabhängige Untersuchungskommission pochen, zumal MDC-Mitgliedern der Zugang zur Unfallstelle verwehrt worden sei. Ein Ermittlerteam, das Fotos am Unfallort machte, wurde nach Angaben der MDC von der Polizei festgenommen, ihre Kameras beschlagnahmt.

Spekulationen, dass es sich um einen Anschlag handeln könnte, erhielten zudem dadurch Nahrung, dass sich der Geländewagen Tsvangirais inmitten eines kleinen Konvois aus drei Fahrzeugen befand – und dennoch als einziger mit dem entgegenkommenden Lastwagen kollidierte, dessen angeblich eingeschlafener Fahrer den Unfall verursachte. Tsvangirai selbst soll erklärt haben, dass der Laster auf sein Fahrzeug zugerast sei, aber der Fahrer einen Frontalzusammenstoß gerade noch verhindern konnte. Angeblich traf der Anhänger des Lasters bei dem Ausweichmanöver jedoch auf das Auto des Premiers, das sich daraufhin mehrfach überschlug. Das seit 30 Jahren verheiratete Ehepaar Tsvangirai war zu einer Kundgebung der MDC in ihrem gemeinsamen Heimatort Buhera in Zentralsimbabwe unterwegs. Der simbabwische Premier und seine Frau Susan, die öffentlich selten in Erscheinung trat, aber politisch trotzdem sehr engagiert war, haben sechs Kinder.

Mugabe und Tsvangirai sind seit mehr als zehn Jahren erbitterte Rivalen. Mugabe selbst hat in den letzten Monaten wiederholt erklärt, dass Tsvangirai Simbabwe niemals regieren werde. Seit seinem Amtsantritt vor fast 30 Jahren, aber auch schon in den Jahren des Widerstandskampfes hat sich Mugabe politischer Gegner oftmals gewaltsam entledigt. Tsvangirai selbst hat mindestens zwei Mordversuche des Regimes überlebt.

Schon deshalb überrascht es nicht, dass die Nachricht von dem Unfall des Premiers vielerorts zu Spekulationen über ein mögliches Attentat geführt hat. MDC-Anhänger haben darauf hingewiesen, dass schon in der Vergangenheit wiederholt Mugabe-Gegner in mysteriösen Autounfällen ums Leben gekommen seien. Aus dem gleichen Grund hatte Tsvangirai zuletzt auch einen neuen Dienst-Mercedes abgelehnt und darauf bestanden, ein Fahrzeug seiner eigenen Partei zu benutzen.

Tsvangirai hatte nach monatelangen, vom Mugabe-Regime sabotierten Verhandlungen im Januar widerwillig einer Regierung der nationalen Einheit mit Mugabes ZANU(PF)-Partei zugestimmt – und war vor drei Wochen als Premier vereidigt worden. Mugabe selbst hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er weiterhin die Macht in der Hand hält. „Ich habe nach wie vor die Kontrolle und die Exekutivgewalt, deshalb hat sich nicht viel geändert“, sagte der 85-Jährige erst am vergangenen Wochenende auf seiner opulenten Geburtstagsfeier zu tausenden Anhängern.

Der Unfall selbst dürfte die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen dem Mugabe-Regime und der MDC weiter belasten. Die alten Machthaber weigern sich seit Wochen, den unmittelbar vor seiner Vereidigung zum Vize-Agrarminister inhaftierten Oppositionspolitker Roy Bennett trotz extrem dünner Beweislage freizulassen. Zudem sitzen auch drei Wochen nach dem Eintritt Tsvangirais in die Regierung noch immer Dutzende MDC-Anhänger und Menschentrechtsaktivisten ohne Anklage in Haft.

Simbabwe hat mit mehreren hundert Millionen Prozent die weltweit höchste Inflationsrate. Die Arbeitslosigkeit in der formellen Wirtschaft liegt Schätzungen zufolge inzwischen bei rund 90 Prozent. Der Kollaps des Gesundheits- und Bildungswesens hat zum Ausbruch einer verheerenden Cholera-Epidemie geführt, an der bislang über 4000 Menschen gestorben sind.

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