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Politik: Unfehlbar ist anders

Warum das Informationsmanagement des Vatikans beim Skandal um den Holocaust-Leugner Williamson versagte

Berlin - Das Schweigen im Vatikan ist durchbrochen – und unentwegten Meinungsäußerungen sowie Schuldzuweisungen gewichen. „Wenn jemand (von den Äußerungen Williamsons zum Holocaust) hätte wissen müssen, dann war es Kardinal Castrillon Hoyos“, sagt etwa Vatikansprecher Frederico Lombardi. Kardinal Hoyos ist der Leiter der päpstlichen Behörde Ecclesia Dei, deren einzige Aufgabe die Verhandlungen mit der Pius-Bruderschaft ist. Außerdem sprach Lombardi in der französischen Tageszeitung „La Croix“ von Kommunikationsdefiziten in der Kurie, es fehle eine „Kultur der Kommunikation“.

Davon ist auch Vatikanexperte Thomas Seiterich von der „Zeitung kritischer Christen“ überzeugt. „Es gibt praktisch keine Kabinettsstruktur im Vatikan. Es wird nicht einmal eine allgemeine Kommunikationslinie vorgegeben“, sagt er. Das zeige sich vor allem dadurch deutlich, dass wichtige Institutionen schlichtweg nicht über die Rücknahme der Exkommunikation informiert wurden. Weder der Leiter der „Kommission für die Religiösen Beziehungen zum Judentum“ im Vatikan, Kardinal Walter Kasper, noch der Vorsitzende des Rates „Interreligiöser Dialog“, Jean-Louis Tauran, hätten von den Schritten des Papstes gewusst.

Kardinal Kasper spricht nun klar von einem „Missmanagement“ des Heiligen Stuhls. „Das wäre ebenso, wie wenn ein kleiner Rat rund um die Kanzlerin wichtige innenpolitische Dinge beschließen würde und das Innenministerium keinen blassen Schimmer davon hätte“, erklärt Seiterich. „Es herrschen im Moment Strukturen im Vatikan wie am Vorabend der Französischen Revolution. Sowohl König Ludwig XVI. als auch Papst Benedikt XVI. sind Herrscher von Gottes Gnaden, und auch dem Papst entgleitet der Macht apparat, der ihn umgibt.“ Hilfreich wären nach Meinung Thomas Seiterichs klare Befehlsstrukturen in Medienfragen sowie lediglich ein einziger offizieller Sprecher.

Auch Pater Eberhard von Gemmingen, Leiter des deutschsprachigen „Radio Vatikan“, sieht massiven Handlungsbedarf und wünscht sich „eine Regierung für den Vatikan, um Kommunikationspannen zu vermeiden“. Bemerkenswert ist, dass die engsten Vertrauten des Papstes langjährige Weggefährten Kardinal Ratzingers aus der Glaubenskongregation sind. Den Posten des Kardinalstaatssekretärs, die Nummer zwei im Vatikan, übt traditionell ein gewiefter Diplomat aus. Mit der Bestellung von Kardinal Tarcisio Bertone an diese Stelle ließ Benedikt XVI. klar Loyalität vor Leistung gelten. „Bertone ist für dieses Amt gänzlich ungeeignet“, sagt Experte Seiterich. „Es kann aber schon wichtig für den Papst sein, wenn er ihm ergebene Vertraute in seinem Umfeld positioniert. Das sichert ihm auch das politische Überleben in diesem hohen Amt.“

Gelebt hat diese Einstellung der frühere Papst, Johannes Paul II. Er ließ sich nur von polnischen Angestellten bekochen und legte Wert auf polnisches Wachpersonal. Der engste Vertraute des jetzigen Papstes ist mit Sicherheit sein persönlicher Sekretär Georg Gänswein. Seine Aufgabe ist die Planung der päpstlichen Termine und das Filtern der Meldungen an den Heiligen Vater in „wichtig“ und „unwichtig“. Zu Beginn des Williamson-Skandals konnte er nicht filtern, er lag mit Fieber im Bett. Vielleicht lag dort das Problem in der päpstlichen Kommunikation.

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