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Gute Verbindung: Der ungarische und der britische Premierminister, Viktor Orban und David Cameron.

© Virginia Mayo/dpa

Ungarn sorgt sich um EU-Partner: Wie Viktor Orbán gegen den Brexit kämpft

In ganzseitigen Zeitungsanzeigen wirbt der ungarische Premier in Großbritannien gegen den Brexit. Was verspricht sich Ungarn von den Briten in der EU?

„Es ist eure Entscheidung, aber ich möchte euch sagen, dass Ungarn stolz darauf ist, an eurer Seite als Mitglied der Europäischen Union zu stehen.“ Diese etwas skurrile Botschaft, ganzseitig gedruckt auf den ungarischen Nationalfarben, dürfte die Leser mehrerer britischer Zeitungen überraschen. Sie kommt vom europakritischen ungarischen Premier Viktor Orbán, dessen Unterschrift unter dem knappen Text steht und dessen Amt die Werbekampagne offenbar bestellt hat.

Dass ein ausländischer Regierungschef das Publikum auf diese Art und Weise direkt anspricht, gilt schon als ungewöhnlich. Dass der regelmäßig „Brüsseler Bürokraten“ den Krieg erklärt und auf „nationale Souveränität“ schwört, macht seine Geste erstaunlich.

„Wie wäre denn die Reaktion der ungarischen Regierung, wenn im Vorfeld des geplanten Referendums über die Flüchtlingsquoten ein westeuropäischer Ministerpräsident Werbung in der ungarischen Presse schalten würde?“, fragen sich ironisch Budapester Leitartikler und Blogger. Regierungssprecher Zoltán Kovács will diese „hypothetische Situation“ nicht kommentieren. Aber es sei ja nicht ohne Gewicht, was der Premier denke.

Viele Ungarn leben und arbeiten in Großbritannien

Zum einen beträfe ein Brexit auch mehrere hunderttausende in Großbritannien lebende Ungarn – London gilt mittlerweile sprichwörtlich als zweitgrößte ungarische Stadt, nachdem die desolaten wirtschaftlichen und politischen Zustände die Auswanderung deutlich beschleunigten. Ein millionenschweres Rückkehrprogramm musste eingestellt werden – nur 105 Ungarn ließen sich überzeugen. Immerhin trägt Geld der Ausgewanderten für Verwandte in Ungarn zur Stabilität der Zahlungs- und Haushaltsbilanz bei. Eine Massenrückkehr würde den Druck auf die Staatskasse erhöhen und die große Abhängigkeit des Landes von EU-Geldern und Investitionen weiter in die Höhe treiben.

Orbán befürchtet, mit den Briten Verbündete im EU-Rat zu verlieren. So konnten sich die Befürworter der Flüchtlingsquoten nur gegen die Osteuropäer durchsetzen, weil Großbritannien wegen einer Sonderregelung an der Abstimmung nicht teilnehmen durfte und die alte polnische Regierung in letzter Minute ihren Widerstand aufgab. Das Kabinett in Budapest hat Angst vor einer Dauerisolation, wenn die westeuropäische Mehrheit der EU eine Verstärkung von Migration und Integration anstrebt.

Silviu Mihai

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