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Politik: Unicef fordert zur globalen Hilfe auf

600 Millionen Mädchen und Jungen leben in absoluter Armut. Der Jahresbericht 2000 warnt vor wachsender UngleichheitBeatrice Von Weizsäcker Auf den internationalen Devisenmärkten wechseln täglich 1500 Milliarden Dollar den Besitzer.

600 Millionen Mädchen und Jungen leben in absoluter Armut. Der Jahresbericht 2000 warnt vor wachsender UngleichheitBeatrice Von Weizsäcker

Auf den internationalen Devisenmärkten wechseln täglich 1500 Milliarden Dollar den Besitzer. Gleichzeitig leben rund 600 Millionen Mädchen und Jungen in absoluter Armut. Auf diesen gravierenden Unterschied zwischen Arm und Reich macht der Jahresbericht des UN-Kinderhilfswerks Unicef aufmerksam, der am Montag in Berlin vorgestellt wurde.

Mit Sorge beobachtet das Hilfswerk die starke Zunahme von sozialen Gegensätzen: 1960 betrug die Einkommensdifferenz zwischen dem ärmsten und dem reichsten Fünftel der Weltbevölkerung 1 zu 30, 1997 waren es 1 zu 74. Unicef warnt in seinem Jahresbericht "Zur Situation der Kinder in der Welt 2000" eindringlich vor den dramatischen Folgen der wachsenden Ungleichheit auf der Welt.

Mit Nachdruck ruft Unicef Regierungen, Gesellschaft und Wirtschaft auf, eine "globale Bewegung für Kinder" ins Leben zu rufen. Ziel dieses Bündnisses müsse mehr Hilfe und Gerechtigkeit für Kinder sein, erklärte Unicef-Direktorin Carol Bellamy bei der Vorstellung des Berichts: "Der Kampf gegen Kinderarmut erfordert für das nächste Jahrtausend neue Prioritäten." Würden sich alle Industrieländer an das vereinbarte Ziel halten, 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe bereitzustellen, stünden jährlich zusätzlich 100 Milliarden Dollar zur Verfügung, sagte sie. Deutschland liegt derzeit deutlich unter 0,3 Prozent.

Auch Bundespräsident Johannes Rau forderte Politik und Wirtschaft auf, ihre Anstrengungen für eine bessere Welt der Kinder zu erhöhen. Er verurteilte insbesondere den Einsatz von Kindern als Soldaten, Arbeiter oder Prostituierte. Rau bezeichnete die Arbeit des Hilfswerks als unverzichtbar. Denn auch zehn Jahre nach der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention seien noch immer Leben und Zukunft von Hunderten Millionen Kindern bedroht.

In dem Bericht wird die Zeit seit dem Welt-Kindergipfel von 1990 als ein "Jahrzehnt des unerklärten Krieges gegen Kinder, Jugendliche und Frauen" bezeichnet. Armut, Krieg, chronische soziale Instabilität und vermeidbare Krankheiten wie Aids verletzten ihre Menschenrechte und sabotierten ihre Entwicklung. Solange die Rechte von Kindern und Frauen verletzt würden, werde "die Entwicklung der Menschheit aufs Spiel gesetzt".

Fehlende Bildungschancen, Mangelernährung und Krankheiten prägten die Kindheit und Jugend vieler Mädchen und Jungen - vor allem in den Entwicklungsländern, heißt es in dem Bericht. In Ländern wie Angola, Niger, Afghanistan, Mali, Malawi oder Somalia sei die Kindersterblichkeit 40 bis 60 Mal so hoch wie die in Deutschland. In diesem Ländern stürben zwischen 20 und 30 Prozent der Kinder vor ihrem fünften Geburtstag.

Um allen Familien Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung, Schulbildung, sauberem Wasser und Angeboten zur Familienplanung zu ermöglichen, sind nach Berechnungen des Hilfswerkes jährlich 70 bis 80 Milliarden Dollar erforderlich. Diese Summe müsste aufzubringen sein: Denn für Rüstung, so Unicef, werden jährlich 680 Milliarden Dollar ausgegeben.

Armut und Perspektivlosigkeit nennt Unicef auch als wesentliche Ursache für die epidemische Ausbreitung von Aids besonders im östlichen und südlichen Afrika. Obwohl dort nur 4,8 Prozent der Weltbevölkerung lebten, gebe es dort fast die Hälfte aller HIV-Infektionen. 1998 starben nach Unicef-Angaben allein in Afrika rund zwei Millionen Menschen an Aids. Zum Vergleich: Kriege hätten im gleichen Zeitraum 200 000 Opfer gefordert. Zum Ende des Jahres 2000 werden den Angaben zufolge 13 Millionen Kinder mindestens einen Elternteil durch die Krankheit verloren haben.

Die extremen sozialen Gegensätze schürten und förderten zudem Gewalt und bewaffnete Konflikte. In mehr als der Hälfte der ärmsten Länder würden bewaffnete Konflikte offen ausgetragen oder beherrschten unterschwellig den Alltag. Weltweit seien 31 Millionen Menschen auf der Flucht, die Hälfte von ihnen Kinder und Jugendliche.

Beatrice Von Weizsäcker

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