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Politik: Union des Unbehagens

Die Führung von CDU und CSU ist uneins. Seehofer kritisiert dies immer wieder – und ist damit nicht mehr allein

Von

Von Robert Birnbaum

und Albert Funk

Die Beschwerde war in der Sache nicht neu, aber Horst Seehofer fand, sie bedürfe der Wiederholung. Am Montagabend in der CSU-Landesgruppe machte der Parteivize seinem Unmut Luft. Wenn die Uneinigkeiten an der Spitze von CDU und CSU nicht aufhöre, „dann fliegt uns der Laden um die Ohren“. Der Mann, für dessen Ohren dies gedacht war, schwieg. Edmund Stoiber wusste, wem der Ausbruch galt. Seehofer hatte schon einmal das im Alleingang verkündete „Akutprogramm“ des CSU-Chefs attackiert, weil es nicht zur Linie der CDU/CSU-Fraktion passte. Er blieb indes an diesem Abend nicht allein. Auch der Wehrexperte Klaus Rose meldete Kritik an, diesmal an Stoibers Absetz-Bewegung von der Haltung der Union zum Irak-Krieg. Auch dies war weithin als Attacke des Bayern speziell auf die CDU- und Fraktionschefin Angela Merkel gedeutet worden. Gegen die CDU aber, warnte Rose unter Beifall der CSU-Kollegen, werde die CSU die Landtagswahl in Bayern nicht gewinnen können. Am Mittwoch klang Stoiber, als habe er verstanden: „Ach geh’, ich vertrag’ mich doch glänzend mit ihr!“, versicherte er.

Die Szene zeigt, wie verbreitet das Unbehagen mit sich selbst in der Union mittlerweile ist. Immer wieder müssen CDU und CSU erleben, wie Differenzen in Sachfragen flugs als Personal- und damit Machtfragen gedeutet werden. Merkel und Stoiber sind zwei Protagonisten dieses Spiels, der Hesse Roland Koch als Konkurrent Merkels um die Kanzlerkandidatur macht das Trio komplett. Dass sich die Union kein Kandidatenrennen bis 2006 leisten kann, ist jedem klar. Wie man es vermeiden kann, weiß keiner. Aber, fanden Seehofer und Rose, man muss die Konkurrenz nicht mutwillig anheizen.

Wie schwierig das Führungsproblem der Opposition das Geschäft macht, ist zuletzt beim Streit um Hans Eichels Steuer-Paket deutlich geworden. Da kamen zum Drei-Personen-Stück als Nebendarsteller noch die anderen Länderfürsten der Union hinzu. Dass Koch mit Nordrhein-Westfalens SPD-Ministerpräsident Peer Steinbrück einen Vermittlungsvorschlag ausarbeitete, der gegen die reine Lehre verstieß, der zufolge die Union keine Steuererhöhung duldet, wurde prompt als verdeckte Attacke auf Merkel gewertet. Tatsächlich wusste Koch so gut wie die CDU- Chefin, dass die reine Lehre – also nur eine Korrektur bei der Körperschaftsteuer – den Ländern nicht genug Geld in die leeren Kassen bringen würde. Nicht ausgeschlossen, dass einige CDU-Länder diesen Teil des Pakets am Mittwoch abend im Vermittlungsausschuss aus Prinzip ablehnen, andere aus Geldnot mitmachten. Profitiert hat von dem Zank nur die Regierung. Dass ihr Gesetzentwurf gekippt ist, davon redet kaum einer. Alle gucken umso interessierter auf Gewinner und Verlierer – in der Union. Die Leidtragende scheint zunehmend Merkel zu sein: Bei der Kanzlerfrage ist sie, auch wegen ihres Irak-Kurses auf 29 Prozent abgestürzt, berichtete am Mittwoch das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des „Sterns“.

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