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Union und SPD: Koalition vor Abschluss

Mit deutlichen Annäherungen haben Union und SPD ihre Koalitionsverhandlungen am Donnerstagabend auf eine letzte Runde am Freitag vertagt. Beide Seiten vereinbarten, die Mehrwertsteuer auf 19 Prozent zu erhöhen.

Berlin - Mit der Einigung auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent am 1. Januar 2007 gelang den Unterhändlern ein wichtiger Durchbruch, erfuhr die dpa in Berlin. Dagegen hatte sich die SPD lange gesträubt.

Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) sagte: «Die Verhandlungen sind auf gutem Weg.» Es gebe ein klares Signal, dass die Mehrwertsteuer erhöht werde - auch zur Senkung der Lohnnebenkosten. Die scheidende Familienministerin Renate Schmidt (SPD) sagte: «Es hakt nicht.» Sie rechnete damit, dass am Freitag bis «18 Uhr der Koalitionsvertrag steht».

Strittig sind nach dpa-Informationen allerdings weiter die Themen «Reichensteuer» und betriebliche Bündnisse, Atomausstieg, Arbeitsmarkt, das Antidiskriminierungsgesetz und die Anhebung des Arbeitslosengelds II Ost auf Westniveau.

Die Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer sollen teils zur Haushaltssanierung in Bund und Ländern, teils zur Senkung des Arbeitslosenbeitrags verwendet werden. Der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD) sagte, die 40-Prozent-Marke bei den Lohnnebenkosten werde «nach unten durchstoßen».

Zum Streitthema Atomausstieg sagte CDU-Chefin Angela Merkel laut «Berliner Zeitung» in einer Schaltkonferenz des CDU-Vorstands, dass eine Änderung der bisherigen Regelung mit der SPD nicht zu machen sei. Das sei für die SPD eine Glaubenssache. CDU und CSU wollen die Laufzeit der Atomkraftwerke um acht Jahre verlängern.

Der designierte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) bestätigte, dass ein 25 Milliarden Euro teures Investitionsprogramm vor allem für den Mittelstand aufgelegt werden solle, um Impulse für Wachstum und Beschäftigung zu schaffen. Die Gegenfinanzierung durch Einsparungen sei sichergestellt. SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler sagte, im ersten Jahr werde dieses Programm überwiegend über Kredit finanziert. Die Zeitung «Die Welt» (Freitag) schrieb, die Koalition werde 2006 mindestens 40 Milliarden Euro neue Schulden machen und damit gegen das Gebot der Verfassung verstoßen, wonach die Neuverschuldung unter den Investitionen liegen muss.

Union und SPD verständigten sich bereits auf zahlreiche Punkte. Das geht aus dem Entwurf des Koalitionsvertrages hervor, der der dpa am Donnerstagabend vorlag. Der Vertrag soll am 18. November in Berlin unterzeichnet werden. Scharfe Kritik an Vorhaben der geplanten großen Koalition kam aus der Wirtschaft. Die Sparpläne lösten Befürchtungen über den Wegfall Zehntausender Arbeitsplätze aus.

Trotz elementarer Meinungsunterschiede wollen Union und SPD eine grundlegende Reform der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2006 vereinbaren. Bei der Pflegeversicherung wollen die Parteien sowohl die Finanzierung als auch die Leistungen reformieren. Zunächst sollen Ausgaben eingedämmt werden. Die Entscheidung über die Gesundheitsprämie der Union oder die Bürgerversicherung der SPD wird vertagt. Die Einführung eines Elterngeldes bis höchstens 1800 Euro für ein Jahr an Mütter oder Väter wird von 2008 an fest vereinbart. Das Studenten-Bafög soll in der bisherigen Form erhalten bleiben.

Union und SPD wollen die Kosten der Arbeitsmarktreform Hartz IV deutlich senken. Unter anderem sollen unverheiratete, volljährige Kinder unter 25 Jahren grundsätzlich in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern einbezogen werden. Die Definition eheähnlicher Partnerschaften soll geprüft werden. EU-Ausländer, die vorher nicht in Deutschland gearbeitet haben, sollen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II mehr haben. Bürokratie soll abgebaut werden. Die Autofahrer sollen nicht mit einer Pkw-Maut belastet werden.

Unions-Fraktionsvize Ronald Pofalla sagte: «Was die "Reichensteuer" für die SPD ist, ist für uns die Frage der betrieblichen Bündnisse.» Am Ende könnte beides entfallen.

Die Union dringt auch unverändert auf die Umsetzung der geplanten Lockerung des Kündigungsschutzes. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) betonte, die in der Koalitions-Arbeitsgruppe vereinbarte Ausdehnung der Probezeit von sechs auf 24 Monate müsse «jetzt auch umgesetzt werden». Der scheidende SPD-Chef Franz Müntefering hatte zuvor den von Unions- und SPD-Politikern bekannt gegebenen Kompromiss wieder in Frage gestellt. (tso/dpa)

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