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Politik: Union: "Wir werden nicht total blockieren"

So ganz haben sich die Abgeordneten noch nicht an die neue Umgebung im Berliner Reichstag gewöhnt. Mancher wähnt sich am Donnerstag insgeheim am Rhein.

So ganz haben sich die Abgeordneten noch nicht an die neue Umgebung im Berliner Reichstag gewöhnt. Mancher wähnt sich am Donnerstag insgeheim am Rhein. Als der finanzpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Klaus Müller, die Opposition angreift, fordert er sie zu eigenen Vorschlägen auf - und zwar "jetzt hier in Bonn". Mildes Gelächter auf den Rängen. Auf Seiten von Union und Liberalen bleibt man eher unkonkret mit eigenen Entwürfen. In der Sache jedoch funktionieren in der ersten Debatte zum Sparpaket die eingespielten Reflexe vom Rhein wie gehabt.

"Schamlos" nennt der CSU-Landesgruppenchef Michael Glos die Rentenpläne der Regierung. "Sie haben einen Scherbenhaufen angerichtet", intoniert der haushaltspolitische Sprecher der FDP, Hermann Otto Solms. "Ihr wißt nicht, was ihr tut!" ruft der CDU-Mittelständler Peter Rauen. Die Koalitionspolitiker bleiben ihrerseits nichts schuldig. "Blanker Populismus", schimpft der umweltpolitische Sprecher Reinhard Loske. Dem SPD-Fraktionsvize und Steuerfachmann, Joachim Poß, fällt sogar das Wort "Demagogie" ein, was ihm einen Ordnungsruf des Parlamentspräsidenten einträgt.

Trotz aller verbalen Schläge sind aber auch milde Töne hörbar. Der Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz beschwört die gemeinsame gesellschaftliche Verantwortung, der man sich nicht verweigern will. Und CSU-Mann Glos versichert: "Wir werden die Mehrheit nicht zur Totalblockade verwenden. Das Land ist wichtiger."

Soviel Realismus kommt nicht von ungefähr. Denn die Debatte am Donnerstag bildete erst den Auftakt zu den Beratungen um das Sparpaket. Auf der Tagesordnung: die Gesetzentwürfe zur Familienförderung, Ökosteuer und Steuerbereinigungsgesetz. Nächste Woche wollen die Parlamentarier über den Etat 2000 beraten. Darum ging es

Familienförderung: Da will die Koalition das Kindergeld für das erste und zweite Kind vom Jahr 2000 an um 20 Mark auf 270 Mark anheben. Zusätzlich zum herkömmlichen Kinderfreibetrag gibt es einen Betreuungsfreibetrag, so daß der gesamte Freibetrag auf 10 000 Mark steigt. Das Problem: Die Länder müssen die Erhöhung der Familienunterstützung finanziell mittragen und befürchten finanzielle Lasten im kommenden Jahr von 4,7 Milliarden Mark. Doch verweigern können sich kaum. Immerhin hatte das Bundesverfassungsgericht gefordert, daß die Regierung die Familien besser stellen muß. Also werden die Länder einen finanziellen Ausgleich fordern. Einzelne Länder, wie Nordrhein-Westfalen, haben bereits Altforderungen beim Kindergeld von zehn Milliarden Mark angemahnt, die sich aus Rechtsänderungen aus der Ära Waigel ergeben.

Steuerbereinigungsgesetz: Dahinter verbirgt sich ein dicker Brocken von Steuerrechtsänderungen. Teilweise stopft Finanzminister Hans Eichel (SPD) damit Steuerschlupflöcher, teilweise ändert er nur das Recht aufgrund von EU-Vorgaben. Bund, Länder und Gemeinden erwarten dadurch Mindereinnahmen von knapp fünf Milliarden Mark. Besonders umstritten sind Eichels Pläne zur Lebensversicherung. Er will sie stärker besteuern. Bisher waren die Erlöse einer Lebensversicherung steuerfrei, Eichel will jetzt Neu-Verträge belasten, wenn sie nicht der Altersvorsorge dienen. Allerdings sind Freibetrags-Regelungen von bis zu 30 000 Mark vorgesehen. Bei diesem Vorhaben scheinen sich einige Länder zu sperren, weil sie fürchten, die Union könnte daraus eine neue Kampagne entwerfen.

Ökosteuer: Dabei muss der Bund nicht so sehr auf die Länder setzen, weil die Einnahmen ihm allein zustehen. So will die Regierung die Mineralölsteuer in vier Jahren jeweils um sechs Pfennig anheben. Der Strom soll im gleichen Zeitraum um 0,5 Pfennig pro Kilowattstunde teurer werden. Von November 2001 an soll eine Strafsteuer von drei Pfennig auf besonders schwefelhaltigen Benzin erhoben werden. Die Wirtschaft braucht weiter nur die ermäßigten Sätze zu zahlen.

Und wie schätzt Eichel all seine Pläne ein, angesichts möglicher Wahlpleiten? Er setzt auf Realitätssinn: "Die Leute wollen doch, daß ihnen reiner Wein eingeschenkt wird."

Andreas Hoffmann

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