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 Anatoliy Stepanov/AFP

© AFP

Unruhen in der Ukraine: Wer kontrolliert den Osten?

In immer mehr Städten der Ostukraine tauchen maskierte und bewaffnete Kämpfer auf. Sie bringen öffentliche Gebäude mit Gewalt unter ihre Kontrolle – und es gibt Tote. Die Ereignisse in den Städten erinnern immer mehr an die auf der Krim.

Sonntagnachmittag auf der Artema- Straße im Stadtzentrum von Donezk: Wo sonst für Kaugummi oder Joghurt geworben wird, prangen jetzt unzählige Werbeplakate für die Republik Donezk, die den russischen Adler zeigen. Die Stadt wirkt wie ausgestorben, nur vereinzelt laufen Menschen durch den Regen, denn in der Ostukraine wird geschossen. Paramilitärs haben in mehreren Städten Polizeistationen und Regionalverwaltungen besetzt, seit Sonntagvormittag läuft offiziell in der Stadt Slowjansk ein Anti-Terror-Einsatz der ukrainischen Regierung. Dabei kam ein Mensch ums Leben, neun weitere wurden verletzt.

Doch wer hat die Kontrolle über die Ostukraine? Vor allem die Ereignisse in den Städten Slawjansk und Kramatorsk erinnern Beobachter an die Geschehnisse auf der Krim. Dort hatten vor einem Monat Milizen Stück für Stück die gesamte Insel besetzt. Die Männer waren Soldaten, zwar ohne Hoheitsabzeichen, aber mit automatischen Waffen ausgerüstet. Das gleiche Bild bietet sich nun im Osten der Ukraine. Waren es am Samstag noch Städte im Oblast Donezk, weiteten sich die Unruhen am Sonntag auch auf die Städte in den Nachbarregionen Dnipropetrowsk, Lugansk und Charkiw aus.

Maskierte Männer von anderswo

Mark Lewin, Fotograf des Internetportals Lewjy Bereg, berichtet, ein Einwohner aus Slawjansk habe ihm erzählt, dass die bewaffneten und maskierten Männer nicht aus der Stadt stammen. „Das sind keine Leute von hier“, sagte der Mann demnach. Auch in Kramatorsk fiel auf, wie zielgerichtet die Bewaffneten vorgingen. Das Internetportal Ostrow.org schreibt: „Sie wussten genau, wo die Polizeistation liegt“, zudem zeigen Videoaufnahmen, wie die Männer von Sicherheitskräften in Zivil bei der Belagerung der Polizeistelle unterstützt werden.

„Das, was in der Ostukraine an diesem Wochenende abläuft, ist Krim 2.0“, sagt Mark Raschkiewtisch, Reporter der Kyiv Post. Offenbar arbeiten die russischen Sicherheitsbehörden mit Leuten aus der Ukraine zusammen. Im Internet wurden Namen von „Personalvermittlern“ veröffentlicht. So kann man bei einem Valerij in Donezk anrufen, um sich von ihm rekrutieren zu lassen, gezahlt würden rund 50 Euro pro Tag. Auch in Jenakijewo gibt es einen Headhunter der selbsternannten Republik Donezk, dort kann man bei Sergej Skliarenko von den „Patriotischen Kräften Donbass“ anheuern. In der Heimatstadt des früheren Präsidenten Viktor Janukowitsch brachten maskierte und bewaffnete Kräfte am Sonntag das Polizeihauptquartier und die Staatsanwaltschaft der 85 000 Einwohner zählenden Stadt unter ihre Kontrolle. Die Headhunter suchen offenbar Leute, die die Bewaffneten unterstützen – beim Bau von Barrikaden, bei der Bewachung besetzter Gebäude und als Verstärkung in den Gebäuden.

Viele Ostukrainer wollen keinen Anschluss an Russland

Die Mehrheit der Menschen im Osten der Ukraine lehnt einen Anschluss an Russland ab. In Charkiw kam es am Samstag zu einer großen pro-ukrainischen Kundgebung, die ganze Nacht durch hatten Menschen die Einheit des Landes gefordert. Die Demonstration wurde am Sonntag fortgesetzt. Am frühen Nachmittag kam es zu Übergriffen pro-russischer Gegendemonstranten. Wenig später fuhren in der Innenstadt Busse mit maskierten Männern in Militärbekleidung vor. Sie versuchten die pro-ukrainische Protestgruppe auseinanderzutreiben. Es fielen Schüsse, mehrere Menschen wurden verletzt. Die Regierung in Kiew scheint die Lage nicht weiter anheizen zu wollen, wohl wissend, mit welchem Gegner sie es zu tun hat. Bislang hat sich weder Regierungschef Arsenij Jazenjuk noch Interimspräsident Alexander Turtschinow zu den Unruhen zu Wort gemeldet.

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