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Politik: „Uns droht die Spaltung“

Ex-Parteichef Bisky über Flügelkämpfe in der PDS – und seine Bereitschaft, zur Not den Vorsitz zu übernehmen

Herr Bisky, Sie werden bedrängt, in der Stunde der Not erneut den Bundesvorsitz der PDS zu übernehmen. Sind Sie dazu bereit?

Ich will nach der Landtagswahl 2004 in meinen Beruf zurück. Insofern ist es für mich auch ein relativ abwegiger Gedanke, erneut für den Parteivorsitz zu kandidieren. Allerdings hätte ich ein moralisches Problem, wenn es der PDS noch schlechter ginge. Man könnte mir vorwerfen, die Partei im Stich zu lassen. Das möchte ich nicht.

Das heißt, Sie schließen eine Kandidatur nicht definitiv aus?

Nein, aber die NotSituation der PDS müsste ganz extrem sein. Das ist sie derzeit nicht. Ich bin nicht der einzige, der die PDS retten kann. Es gibt bessere Vorschläge.

Welche?

Denkbar wäre, dass Frau Zimmer mit einem erneuerten Vorstand weitermacht. Allerdings muss man klar sagen, dass der Parteivorstand unter ihrer Leitung seine Aufgaben nicht erfüllt hat. Denkbar wäre deshalb auch, dass ein profilierter Kopf aus dem Europaparlament oder aus den Landesverbänden die Führung übernimmt. Ich nenne nur Helmuth Markov oder Mecklenburgs Umweltminister Wolfgang Methling. Wir haben Talente, auch in Berlin, die eine Chance verdienen.

Als künftiger Bundesgeschäftsführer wird Ihr Potsdamer Stellvertreter Heinz Vietze gehandelt?

Er wäre die Idealbesetzung.

Das Bild der PDS könnte nicht schlimmer sein: Die Spitze ist zerstritten, die Partei aus der Bundespolitik abgetaucht. Was sind die Ursachen?

Die PDS muss die Partei der sozialen Frage sein. Der Vorstand hat auf diesem Gebiet keine Signale gesetzt, sich nicht mit den Problemen der Menschen befasst: Arbeitslosigkeit, Sozialabbau, die sich verschlechternde Lage im Osten. Wir haben auch die Rolle von Personen in der Mediengesellschaft unterschätzt, auch ich habe mich hier geirrt.

Hat die Flucht Ihres Freundes Gregor Gysi aus dem Berliner Senat die Talfahrt der PDS beschleunigt?

Ja. Ich mache mir selbst einen Vorwurf, dass ich ihn nicht davon abgehalten habe. Aber er ist nicht allein schuld.

Sie haben auf die Regierungsbeteiligung in Berlin große Hoffnungen gesetzt. Warum kann die PDS kein Kapital daraus schlagen?

Ich habe da noch nicht resigniert. Es war klar, dass Berlin unerhört schwer werden wird, schon wegen des Haushaltsdesasters. Aber das Experiment ist noch nicht gescheitert. Die PDS kann mit Berlin langfristig Punkte machen, auch beweisen, dass sie nicht nur in Sonnenzeiten da ist. Ich hoffe, dass die Berliner PDS noch eigene Akzente setzt.

Neben dem personellen ist ein inhaltlicher Neuanfang nötig?

Ja. Der Sonderparteitag muss eine komplexe Antwort auf die Agenda 2010 geben und deutlich machen, dass Reformen notwendig sind, aber die Richtung falsch ist. Wir brauchen ein eigenes Konzept, wie die Wirtschaft ohne soziale Grausamkeiten aus dem Tal kommt.

Die SPD befindet sich im Stimmungstief, trotzdem konnte die PDS bislang nicht punkten. Hat sie sich überlebt?

Es gibt noch Chancen. Basis und Wähler kritisieren härter, dass wir wegtrudeln. Der Ton wird aggressiver – weil man mehr von uns erwartet. Aber ich gebe zu, dass uns die zunehmende Resignation in Ostdeutschland Schwierigkeiten macht. Wir müssen realistisch herangehen und auch sagen, was nicht geht.

Ist der Westaufbau gescheitert?

Es gibt einen Stillstand im Westen, wir kommen keinen Millimeter weiter. Die PDS hat aber nur eine Chance als gesamtdeutsche Partei. Wir können uns nicht auf den Osten zurückziehen. Das wäre der Untergang.

Die Rolle der West-Linken wie Bundesgeschäftsführer Uwe Hiksch und Parteivize Diether Dehm ist umstritten?

Sie haben sich jüngst im Parteivorstand der Realität verweigert und damit die gegenwärtige Situation herbeigeführt. Das war ein schwer wiegender Fehler.

Steht die Partei jetzt vor einer Richtungsentscheidung?

Wenn die PDS sich aufrappeln will, muss Schluss sein mit dem Flügelkampf, Reformer gegen Traditionalisten und umgekehrt. Gemeinsamkeiten müssen über Fraktionsgrenzen siegen. Aber ich bin überzeugt, dass der Traditionalismus keine Chance hat.

Droht eine Spaltung der PDS?

Ja. Die Gefahr droht. Wer denkt, dass ein Flügel in der PDS obsiegen muss, betreibt die Spaltung der Partei. Die PDS wird es in Zukunft nur geben, wenn sie sich mit der Realität auseinander setzt und nicht in Flügelkämpfen verschleißt.

Ist der Sonderparteitag die letzte Chance?

Ganz so schlimm sehe ich es nicht. Aber wir sind in einer tiefen Krise. Deshalb muss sich die Partei auf ihre Tugenden besinnen: Statt innerer Nabelschau bescheiden, ehrlich, offen auf die Straße gehen, nicht immer gleich die Fahne schwenken, aber Dienstleister für die kleinen Leute sein.

Das Interview führten Michael Mara und Thorsten Metzner.

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