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Politik: Unsichtbare Killer

Minen sind seit fünf Jahren geächtet – doch Großmächte horten sie

Bis zu jenem 25. Februar im vergangenen Jahr führte Yan Lay aus Kambodscha ein normales Leben. Mit ihrem Ehemann hatte sie sieben Kinder. Sie war wieder schwanger, im dritten Monat. An diesem Tag ging die Mutter Brennholz holen. Auf dem Weg nach Hause trat sie auf eine verscharrte Mine. Sie riss der Frau beide Beine weg.

Yan Lay ist eines von 371 Minen-Opfern, die aus ihrem Heimatland allein in den ersten fünf Monaten des Jahres 2003 gemeldet wurden. Insgesamt, so schätzt die Internationale Kampagne gegen Minen (ICBL), werden jedes Jahr 15 000 bis 20 000 Menschen durch die Killerapparate verletzt, verstümmelt oder getötet – trotz des internationalen Anti-Personen-Minen-Vertrags, der vor fünf Jahren, am 1. März 1999, in Kraft trat. „Anti-Personen-Minen zerstören immer noch die Leben zu vieler unschuldiger Menschen“, sagt Jody Williams, ICBL-Botschafterin und Friedensnobelpreisträgerin. Die große Mehrheit der Opfer seien Zivilisten. „Wir haben noch einen langen Weg zu einer minenfreien Welt“, sagt sie.

Der „Gipfel für einen minenfreie Welt“ Ende des Jahres in Nairobi liegt auf diesem Weg. Die 141 Mitgliedsstaaten des Anti-Personen-Minen-Vertrags, der so genannten Ottawa-Konvention, wollen dort die Fortschritte prüfen: Die Konvention verbietet Gebrauch, Lagerung, Produktion und Verbreitung von Anti-Personen-Minen (APM). Jeder Staat hat vier Jahre Zeit, sie zu vernichten.

Unabhängige Experten kritisieren aber, dass die Konvention nicht für alle Minen gilt. Panzerminen etwa fallen nicht unter die Ächtung. Zudem fehlt ein internationales Überwachungsregime. Wegen dieser Mängel verlangt Österreichs UN-Botschafter in Genf, Wolfgang Petritsch, der als Präsident des Nairobi-Gipfels vorgesehen ist: „Wir brauchen den politischen Willen der Regierungen.“ Genau dieser Wille fehlt in einigen Hauptstädten: Obwohl weltweit bereits 50 Millionen APM gemäß Ottawa-Vertrag zerstört wurden und der Handel praktisch zum Erliegen gekommen ist, gelten immer noch 14 Staaten als Hersteller der Tötungsmaschinen.

Unter den tatsächlichen und potenziellen Produzenten sind die drei führenden globalen Militärmächte: die USA, Russland und China. Alle drei wollen der Ottawa-Konvention nicht beitreten, und alle drei verfügen über riesige Arsenale. Chinas Volksbefreiungsarmee hortet 110 Millionen APM. Die Russen haben 50 Millionen, und in US-Depots stapeln sich 10,4 Millionen. Mindestens sechs andere Staaten befahlen in der Zeit 2002/2003 den Einsatz: Indien, der Irak unter Saddam Hussein, Myanmar, Nepal, Pakistan und Russland. Kopfzerbrechen bereiten den Aktivisten und Diplomaten zudem die so genannten nichtstaatlichen Akteure wie Rebellengruppen und Freischärler.

Jan Dirk Herbermann[Genf]

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