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Politik: Unter Beobachtung

Nordkorea verfügt mit Yongbyong nur über einen Reaktor. Genug zum Bau von Atomwaffen, sagen die USA

Auf den Satellitenfotos wirkt die Anlage friedlich wie ein Bauernhof. Ein paar Betonhallen sind zu sehen, umgeben von brauner Erde und Sträuchern. Doch Yongbyong, Nordkoreas hochgeheime Nuklearanlage, wird schwer bewacht. 22 Luftabwehrstellungen schützen den Atomreaktor und die Wiederaufbereitungsanlage vor Angriffen. Im Inneren wird unterdessen mit Hochdruck gearbeitet. Mitte des Jahres könnte Nordkoreas Regime hier Atombomben produzieren.

Wenn am Mittwoch in Wien die Mitgliedstaaten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) zur Krisensitzung über Nordkoreas Atomprogramm zusammentreffen, steht Yongbyong im Mittelpunkt. Das 90 Kilometer nördlich von der Hauptstadt Pjöngjang gelegene Militärgebiet ist seit den 60er Jahren Nordkoreas Nuklearzentrum. Sowjetische Ingenieure errichteten 1965 dort den ersten Forschungsreaktor. Zwei Jahrzehnte später baute Nordkorea den ersten eigenen Atomreaktor, der bis heute auf dem Gelände steht: ein Fünf-Megawatt-Plutoniumreaktor, mit dem Strom gewonnen werden kann.

Der Yongbyong-Reaktor ist das einzige funktionsfähige Atomkraftwerk in Nordkorea und für das Regime in Pjöngjang der einzige Ort, waffenfähiges Plutonium für Atombomben zu gewinnen. Von 1994 bis Dezember vergangenen Jahres, als Nordkorea die Inspekteure der IAEO aus dem Land warf und die Überwachungskameras abmontierte, stand der Reaktor acht Jahre still. Nun wird die Anlage langsam wieder angefahren. Bis Ende Februar soll der Reaktor wieder in Betrieb sein, erklärt Pjöngjang. Im Dezember wurde die Anlage mit neuen Brennelementen bestückt. Wenn der Reaktor läuft, kann er nach Expertenmeinung zwischen 5,5 und 8,5 Kilogramm Plutonium im Jahr produzieren, das allerdings für den Einsatz in einer Bombe noch aufbereitet werden müsse. Bisher wurden an der Wiederaufbereitungsanlage keine verdächtigen Aktivitäten festgestellt. Allerdings könnte Nordkorea über weitere, bisher unbekannte Wiederaufbereitungsanlagen verfügen.

Die größte Gefahr geht nach Ansicht von Experten von den rund 8000 gebrauchten Brennstäben aus, die bis Dezember unter internationaler Aufsicht in Yongbyong lagerten. Durch die Aufbereitung dieser Vorräte könnte Pjöngjang Plutonium für „mehrere Atombomben" gewinnen, warnte US-Außenminister Colin Powell. Laut IAEO-Direktor Mohammed al Baradei bräuchten Nordkoreas Techniker dafür „nur ein paar Monate". Sollte die Wiederaufbereitung im Dezember begonnen worden sein, könnte Pjöngjang im Juli im Besitz der Bomben sein, so die USA.

Pjöngjang hat der IAEO bisher nie einen kompletten Einblick in das Atomprogramm gewährt. In den 80er und 90er Jahren wurde der Yongbyong-Reaktor mehrmals für mehrere Wochen abgeschaltet. Ein Indiz dafür, dass in dieser Zeit Plutonium abgezweigt worden sein könnte, befürchten Wissenschaftler. Im Weißen Haus vermutet man, dass Nordkorea schon vor der Krise über ein oder zwei Atombomben verfügte.

In einem Konflikt mit Südkorea haben Nuklearwaffen kaum Nutzen. Die koreanische Halbinsel ist so klein, dass der radioaktive Fallout den Norden mit zerstören würde. Als Abschreckung braucht Pjöngjang Nuklearwaffen nicht: Mit seinen konventionellen Raketen kann der Norden Seoul innerhalb von Minuten in Schutt und Asche legen. In einigen Jahren aber, so die Befürchtung der USA, könnte Pjöngjang mit seinen Raketen Alaska und andere US-Staaten erreichen. Seit Dezember überwachen US-Spionagesatelliten jede verdächtige Bewegung in Yongbyong.

Im Weißen Haus hofft man, dass Pjöngjang nach Verhandlungen noch einlenken wird. Aber für den Notfall hat man auch andere Pläne bereit: Als Pjöngjang 1994 ebenfalls mit dem Bau von Atomraketen drohte, erwog die Clinton-Regierung einen Raketenangriff, um den Reaktor zu zerstören.

Harald Maass[Peking]

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