zum Hauptinhalt

Politik: Unter Druck am Arbeitsplatz

Burn-out-Erkrankungen rasant angestiegen.

Berlin - Die Steigerungsrate klingt gespenstisch. Um fast 1400 Prozent habe die Zahl der Fehltage von Arbeitnehmern wegen eines diagnostizierten Burn-outs seit 2004 zugenommen, heißt es in einer aktuellen Studie der Psychotherapeutenkammer. Immer mehr Menschen fühlten sich „in ihrem Leben und bei ihrer Arbeit überfordert“, beschrieb Kammerpräsident Rainer Richter das Problem. Die psychosozialen Belastungen der modernen Gesellschaft würden „erheblich unterschätzt“. Und viele der Betroffenen erhielten zu spät professionelle Hilfe.

Die „Rasanz des Anstiegs“ habe auch die Experten überrascht, sagte Richter. Beim Blick auf die Statistik müsse man aber zweierlei berücksichtigen. Das Ausgangsniveau für den Anstieg sei sehr niedrig, vor acht Jahren waren Burn-out-Diagnosen noch selten. Und im Vergleich zu den Fehltagen wegen anderer Psycho-Erkrankungen machen diese Ausfälle immer noch nur 4,5 Prozent aus. Wegen Depressionen etwa kamen im Vorjahr 100 Versicherte rechnerisch auf 73 Krankheitstage. Wegen Burn-out waren es neun.

Andererseits kommt das „Ausgebranntsein“ auch selten allein. Bei 85 Prozent dieser Krankschreibungen wurden weitere psychische oder körperliche Leiden diagnostiziert. Insgesamt hat sich der Anteil psychischer Erkrankungen an allen Krankschreibungen mit 12,5 Fehltagen seit dem Jahr 2000 verdoppelt. Nach Regierungsberechnungen verursachen psychische Leiden im Jahr Produktionsausfälle von 26 Milliarden Euro. Die Fehlzeiten nämlich sind in solchen Fällen besonders lang. Sie betragen im Schnitt 30 Tage.

Die Ursachen für psychische Erkrankungen lägen nicht allein in der Arbeitswelt, betonte Richter. Berufstätige Frauen etwa erkrankten deutlich seltener an Depressionen. Arbeitslose dagegen treffe es „drei- bis viermal so häufig“ wie Erwerbstätige. Doch Zeitdruck und fehlende Kontrolle über die Arbeitsabläufe seien ebenfalls hohe Risikofaktoren. Und die Tatsache, dass sich die meisten Arbeitnehmer inzwischen weniger körperlichen als emotionalen und kommunikativen Anforderungen stellen müssen, erhöhe den psychische Druck.

Der Kammerpräsident verwahrte sich gegen die Mutmaßung von Krankenkassenseite, dass die vermehrten Krankschreibungen mit der gestiegenen Zahl zugelassener Psychotherapeuten – derzeit knapp 22 000 – zusammenhängen. Diese dürften ihre Patienten gar nicht krankschreiben, betonte Richter, das sei allein Ärzten vorbehalten. Allerdings räumte er ein, selber nicht zu wissen, ob psychische Erkrankungen wirklich häufiger geworden seien. „Wir beobachten einen schwachen, aber doch deutlichen Trend, dass sie eher akzeptiert werden“, sagte er.

Den Unternehmern empfahl Richter, zur Vorsorge auf externe Dienstleister zurückzugreifen. Und von der Politik verlangte er, psychische Erkrankungen ins Zentrum einer nationalen Präventionsstrategie zu rücken. „Gesündere Ernährung und mehr Bewegung allein reichen für ein gesundes Leben nicht aus.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false