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Politik: Unter Generalverdacht

Muslime werden wieder beschimpft – sie hoffen, dass die Islamkonferenz nicht zum Sicherheitsgipfel wird

Berlin - Der Generalsekretär des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, hat im Zusammenhang mit den vereitelten Flugzeugattentaten von London vor der Ausgrenzung und Stigmatisierung von muslimischen Bürgern gewarnt. „Die Muslime in Deutschland stehen jetzt unter doppeltem Druck“, sagte Mazyek dem Tagesspiegel. „Zum einen sind sie selbst Opfer terroristischer Anschläge, zum anderen richtet sich der Fokus nun wieder einmal auch auf die, die friedlich in diesem Land leben.“

Beim ZMD waren nach Bekanntwerden der geplanten Anschläge auf amerikanische Passagierflugzeuge mehr als ein Dutzend E-Mails mit Hasstiraden und Beschimpfungen gegen muslimische Bürger und den Vorstand des Verbandes eingegangen. „Wir erhalten auch Briefe und Anrufe“, sagte Mazyek. Die Vorgänge würden zum Teil von der Staatsanwaltschaft verfolgt. Auch die Muslim Association of Britain hat Moscheen aufgefordert, rassistische Übergriffe zu melden. Sowohl nach den Anschlägen des 11. September 2001 als auch nach den Londoner Terrorakten vom vergangenen Jahr hätten die Muslime aber gezeigt, dass sie sich auch durch solchen Ärger nicht davon abhalten ließen, am Leben in Großbritannien teilzunehmen. Das Verhältnis zwischen der muslimischen Gemeinschaft und der britischen Polizei ist schon seit einigen Monaten angespannt.

Trotz der aggressiven Stimmung gegen Muslime forderte Mazyek die Politik auf, einen Islamgipfel nicht zur Durchsetzung einer schärferen Sicherheitspolitik zu instrumentalisieren. „Hoffentlich mutiert die Islamkonferenz nicht zum Sicherheitsgipfel“, sagte der Generalsekretär. „Die Politiker dürfen Integration nicht durch Sicherheitsgesetze ersetzen.“ Vielmehr müssten die Experten auf dem Islamgipfel dafür sorgen, dass muslimische Religionsgemeinschaften in Deutschland innerhalb der Gesellschaft die gleiche Anerkennung erfuhren wie die Religionen der Mehrheit. „Bisher gab es diesbezüglich nur Verlautbarungen – und wenig Taten“, sagte Mazyek.

Mit Sorge blickt man auch beim Islamrat für die Bundesrepublik in die Zukunft. Die Organisation ist mit mehr als 140 000 Mitgliedern die größte muslimische Vereinigung in Deutschland. Der Vorsitzende der Organisation, Ali Kizilkaya, warnte davor, die Muslime in Deutschland unter „Generalverdacht“ zu stellen und verstärkt „unter die Lupe“ zu nehmen. Dies könne zu Resignation bei jenen Migranten führen, die sich ernsthaft in die deutsche Gesellschaft integrieren wollten. Kizilkaya betonte: „Der Terror betrifft nicht nur die Muslime, sondern uns alle.“ Was in Großbritannien von Attentätern geplant worden sei, sei mit dem Islam keinesfalls vereinbar. „Wenn jemand Unschuldige tötet, ist das im Islam so, als ob er die ganze Menschheit tötet“, erläuterte der Ratsvorsitzende. Die Gesellschaft müsse sich der Bedrohung durch Terroristen gemeinsam stellen. Mit Blick auf eine künftige Islamkonferenz forderte Kizilkaya einen „vernünftigen Umgang mit Muslimen“. Eine Islampolitik existiere in der Bundesrepublik bislang nicht. „Ein Dialog findet schlicht und ergreifend nicht statt“, sagte Kizilkaya. „Dabei leben Muslime schon fast ein halbes Jahrhundert in Deutschland.“

Die Bundesregierung will sich Ende September auf der Deutschen Islam-Konferenz mit der Integration muslimischer Bürger auseinandersetzen. Das Treffen, bei dem jeweils 15 deutsche und muslimische Vertreter teilnehmen sollen, ist laut Bundesinnenministerium (BMI) „als langfristiger Kommunikationsprozess angelegt, der zwei bis drei Jahre dauern soll“. Auch das Thema Sicherheit und Islamismus steht auf der Agenda: Auf dem Entwurf des BMI wird die Thematik an vierter Stelle genannt.

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